Dazwischen: Ich

Autorin: Julya Rabinowich

Buchcover Dazwischen: Ich

Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Zwischen Familie und Freunden. Zwischen Heimat und Neuanfang. Zwischen Verstecken und Verantwortung übernehmen. Zwischen Tradition, Anpassung und Widerspruch. Das Wort "DAZWISCHEN" fasst den Inhalt des Buches sehr gut zusammen. Die 15-jährige Madina ist mit ihrer Familie aus einem Land, in dem Krieg herrscht, in ein europäisches Land geflüchtet und lebt in einem wahren "Dazwischen-Dschungel". Die Namen der Länder werden nicht genannt, sie könnten überall sein. Madinas Familie lebt in einer Flüchtlingspension und wartet auf die Annahme ihres Asylantrags. Während ihre Eltern kaum Deutsch sprechen und mit ihren Gedanken Tag und Nacht zunehmend gereizt um den Asylantrag kreisen, lernt Madina in der Schule schnell Deutsch, findet eine Freundin und fasst Fuß in einer Welt mit ganz anderen Traditionen und Normen als die in ihrer Heimat. So ist Madina die Brücke zwischen den Welten, muss bei Behördengängen übersetzen, sich aber auch immer wieder zwischen den beiden Welten entscheiden. Denn ihr Vater, der in der Fremde noch mehr Wert auf Tradition legt als Zuhause, ist nicht immer begeistert, wie sich Madina als emanzipiertes junges Mädchen entwickelt - und so kommt es vor, dass der kleine Bruder als "Aufpasser" zur Party der besten Freundin mitgeschickt wird.

Die Geschichte ist in Tagebuchform aus der Sicht von Madina geschrieben. Die Sprache ist passend zu Madina einfach und verständlich, aber trotzdem auf klare Weise poetisch und tiefgründig. Sowohl die Berichte aus der Heimat als auch die Erzählungen vom Zurechtkommen in einer fremden Kultur sind authentisch und ungeschönt, schüren aber keine Ängste, sondern wecken Sehnsucht und Hoffnung auf ein Zusammenleben in Frieden. Die Figuren sind komplex und vielschichtig, wachsen einem aber schnell ans Herz. Alle Figuren und Sichtweisen der Figuren - auch die des aus europäischer Sicht manchmal seltsamen Vaters - werden authentisch beschrieben, ohne Vorurteile, ohne Klischees, ohne erhobenen Zeigefinger. Nicht alle Figuren sind einem sofort sympatisch, aber jede Sichtweise wirkt gerechtfertigt und nachvollziehbar. Der Dialog zwischen den Kulturen geschieht in diesem Buch jenseits von "Entwicklungsland" und "Industrienation". Beide Kulturen werden mit ihren Vorteilen, aber auch ihren Problemen beleuchtet.

Ein Buch vom Erwachsenwerden wie es jeder einmal erfährt und doch eine Sichtweise, die jeden bereichert. Eigentlich ein Muss für jeden, der etwas zu den Veränderungen in der Gesellschaft sagt oder sagen will.

*Erschienen bei Hanser*

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Autorin / Autor: kolibri - Stand: 21. April 2017