Das dunkle Schweigen der Mädchen

Autorin: Kim Liggett
Übersetzt von: Birgit Salzmann

In Garner County wird jungen Mädchen die Macht zugeschrieben, Jungen und Männer mit ihrer Magie verführen und in den Wahnsinn treiben zu können. Aus diesem Grund werden sie in einem bestimmten Alter für ein Jahr fortgeschickt - das sogenannte Gnadenjahr soll ihnen diese Magie austreiben.

Die Mädchen, die wiederkommen - und das tun niemals alle - dürfen entweder heiraten, was ein großes Privileg ist, oder müssen den Rest ihres Lebens in Arbeitshäusern oder auf den Feldern zubringen. Und wehe denen, die ihre Magie nicht vollständig abgelegt haben - diese erwartet der Galgen oder die Verbrennung bei lebendigem Leib. 

Für Tierney James ist dieses Gnadenjahr nun gekommen. Obwohl sie ihr ganzes Leben lang versucht hat, etwas darüber in Erfahrung zu bringen, weiß sie überhaupt nicht, was sie erwartet, denn von den Heimkehrerinnen spricht nie auch nur eine darüber, was während des Gnadenjahrs geschieht.
In der Wildnis angekommen merkt Tierney jedoch schnell, welche von den zahllosen dort lauernden Gefahren die schlimmsten sind - und findet ungeheuerliche Dinge heraus.

„Das dunkle Schweigen der Mädchen“ von Kim Liggett ist absolut keine leichte Kost.
Es fängt schon mit dem Ort an, in dem Tierney lebt: Garner County ist teilweise so abgrundtief böse und so dermaßen rückschrittlich, dass es einem nicht nur einmal seeehr sauer aufstößt und die Wut extrem hochkochen lässt. Ich war wirklich sehr oft sehr wütend während des Lesens. Es gibt Hinrichtungsmethoden wie im Mittelalter, die Männer haben die totale Macht über die Frauen und können diese für den kleinsten Fehltritt hart bestrafen lassen (und dabei entscheiden natürlich die Männer, was ein Fehltritt ist und was nicht). Frauen sind dort nur etwas wert, wenn sie irgendwie nützlich sind. Sollten sie das nicht sein, müssen sie fürchten, aus einer männlichen Laune heraus getötet, verstümmelt oder in die sogenannten Außenbezirke verbannt zu werden, den Ort, wo die Ausgestoßenen leben. Nicht selten trifft es auch solche, die komplett unschuldig sind und wirklich nichts getan haben - das kann einen rasend machen.

Auch scheint es in dieser Welt nur Garner County zu geben und sonst nichts - mehr als einmal habe ich mich beim Lesen gefragt, warum die Frauen nicht einfach von dort fortgehen. Generell hätte ich gern mehr über die Entstehung dieses merkwürdigen Ortes gewusst. Wann genau spielt das alles überhaupt? Wieso gibt es keine Nachbardörfer oder Städte und weshalb geht niemand auf die Suche nach solchen? Ist es eine Dystopie oder handelt es sich bei der Dorfbevölkerung doch nur um eine Sekte?
Obwohl mir all diese Fragen durch den Kopf schwirrten, muss ich trotzdem sagen, dass ich die Handlung des Buches super und sehr einmalig fand. So brutal, unfair und gnadenlos sie häufig auch war, ich wollte einfach immer wissen, wie es weitergeht.

Lange steht die Frage im Raum, ob es diese Magie der jungen Mädchen nun wirklich gibt, oder ob etwas anderes dahintersteckt. Die Dynamik zwischen den Gnadenjahrmädchen ist gleichsam erschreckend wie auch rührend und bemitleidenswert. Die Gefahren, die überall und zu jeder Zeit lauern, machen die Handlung ganz besonders aufregend, lassen einen häufig aber auch fassungslos darüber zurück, wozu Menschen fähig sein können. Ich gehe bewusst nicht stärker ins Detail, weil ich wirklich nichts verraten möchte, aber trotzdem hier noch mal eine kleine Warnung: Die beschriebene Brutalität ist wirklich heftig und stark grenzüberschreitend und wem solche Dinge zu nahe gehen, der/die sollte sich eventuell zweimal überlegen, ob das Buch wirklich so das richtige ist.
Tierney als Protagonistin hat mir eigentlich ganz gut gefallen, wenn ich sie auch nicht so sehr ins Herz schließen konnte, wie ich gern gewollt hätte. Ich finde sie wirklich taff und hatte häufig Mitleid mit ihr, habe aber immer noch das Gefühl, sie nicht richtig zu kennen, obwohl man einiges über sie erfährt und das Buch komplett aus ihrer Sicht geschrieben ist. Schade, denn ich glaube, ansonsten hätte mich das Buch noch stärker berühren können. Generell ist es auch etwas schwierig, den Plot haargenau wiederzugeben - es passiert so viel auf einmal oder Schlag auf Schlag, dass eine knappe Beschreibung sich schwierig gestalten würde.

Das Ende hat mir allerdings sehr gut gefallen, einfach, weil ich es realistisch fand. Nach all den Beschreibungen dieses tief verwurzelten Glaubens und der starken Gefühle, mit denen die Menschen in Garner County verbunden sind, erschien mir das Ende genau richtig - es gibt keine zu drastischen Veränderungen, aber die Hoffnung auf einen Neuanfang und Veränderung ist ganz klar da.
Ich finde das Buch durchaus lesenswert, es hat mich gut unterhalten, war spannend, originell und überraschend. Aber wie gesagt - man muss auch die Nerven dafür haben.


*Erschienen bei Dressler*

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Autorin / Autor: Sarah H. - Stand: 18. März 2022