Code kaputt

Macht und Dekadenz im Silicon Valley
Autorin: Anna Wiener

„[…] ich war mir sicher, eine lebendige Karikatur der schrulligen, verfusselten Geisteswissenschaften abgegeben zu haben – die Antithese zu allem, wofür die Tech-Branche stand.“ (Wiener, 2020:40)

Und trotzdem wagt es die 25jährige Anna Wiener, ihren Job als Verlagsassistentin in Brooklyn zu kündigen und in die Start-up-Szene zu wechseln. Endlich kann sie ihre Sehnsucht nach beruflichem Erfolg stillen. Anna fühlt sich als Pionier und Teil von etwas Großem.
Ihr Einstiegsgehalt ist horrend und die Start-up-Szene lockt mit ihrer ambitionierten und familiären Art.
Ehe Anna sich versieht landet sie im Silicon Valley. Umgeben von „ehrgeizigen, aggressiven und arroganten jungen Männern“, die größtenteils weder Berufserfahrung, noch einen Studienabschluss vorweisen können.
So hält die anfängliche Euphorie nicht lange an. Schon bald gerät Anna in ein Dilemma. Ein Wertekonflikt bahnt sich an, der sie vor wichtige moralische Fragen stellt.

Kann ich in einer Stadt leben in der offenkundiges Leid und wohlhabender Idealismus so beschämend dicht nebeneinander liegen?
Ist es gerechtfertigt mit 28 Jahren Millionär und CEO seines eigenen Start-ups zu sein?
Frisst sich die Technologie in meine Beziehungen und meine Identität?
Kann ich die standardisierte Überwachung menschlichen Verhaltens vertreten?
Wie loyal muss ich gegenüber meiner Firma sein?
Kann ich unter Kollegen tatsächlich ich selbst sein?
Bin ich in einer unendlichen Produktivitätsschleife gefangen? Bin ich ausgebrannt?
Mit diesen Fragen und weiteren musste sich Anna pausenlos auseinandersetzten. Bis sie nach knapp  sechs Jahren einen Schlussstrich zieht und der Start-up-Szene den Rücken kehrt.

„Code kaputt“ ist eine biographische Reportage von Anna Wiener.
Das rund 300 Seiten lange Buch beinhaltet Annas berufliche sowie private Erfahrungen innerhalb der digitalen Szene. Die Originalausgabe des Buchs ist 2020 erschienen und somit hochaktuell.
„Code kaputt“ bietet eine sehr realistische Darstellung einer uns meist verschlossenen Welt, auf die wir digital jedoch täglich zugreifen.

Anna Wiener ist eine sehr kritische Analytikerin. Das gesamte Buch ist von ihrem inneren Konflikt durchzogen, ihre Werte mit ihrer Arbeit zu vereinbaren. Fast beiläufig gelingt es ihr somit die Subkultur der Start-up-Szene im Silicon Valley umfassend und eindrücklich zu vermitteln.
Anna schafft es, den Leser durch die gebräuchlichen Ausdrücke der Start-up-Szene zu manövrieren.
Sie lädt den Leser zum kritischen Denken über seinen eigenen digitalen Konsum ein und macht sich stark für Gleichberechtigung und eine eigene Haltung.

Meiner Meinung nach macht das „Code kaputt“ absolut empfehlenswert.
Dennoch möchte ich den ein oder anderen Leser vorwarnen. Annas Schreibstil ist sehr sachlich. Weshalb alle Leser, die es gewohnt sind am Ende des Buchs vor Spannung aufrecht im Bett zu sitzen, wohl nicht auf ihre Kosten kommen werden.
Zudem ist das Buch gespickt von sich wiederholenden Themen. Das ist wunderbar, um sich in die Problematiken zu vertiefen, kann aber schnell ermüden.
Dennoch würde ich behaupten, dass jedem der seinen Horizont erweitern möchte und Interesse an der digitalen Welt hat, beim Lesen von „Code kaputt“ das Herz aufgeht!


*Erschienen bei Droemer*

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Autorin / Autor: Tanja Zwisler - Stand: 15. September 2020