Unsichere Zeiten als Chance

Studie: Wer Unsicherheit auch als Möglichkeit für positive Veränderungen betrachtet, ist mehr für soziale Vielfalt und wählt seltener populistische Parteien wie die AfD

Nichts scheint mehr sicher. Pandemie, Krieg, Energiekrise, Klimakatastrophe – unsere Gegenwart fühlt sich für viele Menschen an wie ein endloser Stresstest. Was gestern noch sicher schien, ist heute brüchig geworden: Arbeitsplätze, Zukunftspläne, das Vertrauen in Politik und Medien.
Viele wünschen sich darum Orientierung und einfache Antworten. Rechtspopulistische Bewegungen haben daraus ein Erfolgsrezept gemacht und verwandeln Unsicherheit in Angst, Angst in Wut, und Wut schließlich in Stimmen.

Ob Unsicherheit nicht auch ein Ausgangspunkt für positive Veränderungen sein kann, haben nun Forschende der ETH Zürich untersucht. In einer gerade erschienenen Studie zeigen sie: Menschen, die Unsicherheit als Chance betrachten, sind gegenüber sozialer Vielfalt positiver eingestellt, unterstützen in stärkerem Ausmaß gesellschaftlichen Wandel und wählen mit geringerer Wahrscheinlichkeit rechtspopulistische Parteien.

Wie wir Unsicherheit bewerten, lässt sich den Forschenden zufolge gezielt beeinflussen. In ihrer Studie führten die Wissenschaftler:innen ein Experiment mit einer Test- und einer Kontrollgruppe durch. Beide Gruppen mussten dieselben Fragebögen beantworten, jedoch bekam die Testgruppe zuvor eine Präsentation zu sehen, auf der wissenschaftlich belegte Beispiele für positive Auswirkungen von Unsicherheit zu sehen waren. Darauf waren u.a. Auszüge der Abschlussrede des Computerunternehmers Steve Jobs an der Stanford University, in der er erzählte, welche Bedeutung seine Entscheidung für einen unsicheren Lebensweg für ihn hatte. Die Übung dauerte im Durchschnitt 7,5 Minuten und wurde nur einmal, zu Beginn des Experiments, durchgeführt.

Ein Test in Zeiten großer Unsicherheit

Die Untersuchung fand in Deutschland zwischen Dezember 2024 und März 2025 statt - also rund um die Bundestagswahlen im Februar 2025.  Insgesamt haben 391 Personen in der Versuchsgruppe und 354 in der Kontrollgruppe teilgenommen. Sie waren zwischen 18 und 80 Jahre alt und repräsentierten in Bezug auf Bildung, Geschlecht, Einkommen und soziale sowie geografische Herkunft die gesamte Bundesrepublik Deutschland.

Die Verunsicherung ist gewichen

Dabei zeigte sich, dass die Versuchsgruppe eine positivere Einstellung gegenüber Vielfalt hatte, mehr Bereitschaft zeigte, gesellschaftlichen Wandel zu unterstützen und eine geringere Wahrscheinlichkeit aufwies, die AfD zu wählen.

Das Überraschendste für Forscherin Ruri Takizawa war, dass diese Denkweise trotz der kurzen und einmaligen Übung über einen Zeitraum von einem Monat stabil blieb.

Die Förderung einer Denkweise, die Unsicherheit als Chance betrachtet, könnte Takizawa zufolge eine eine wichtige Ressource zur Stärkung der Demokratie sein. Wenn das Gefühl der Unsicherheit formbar ist und positiv ausgelegt wird, kann daas in unsicheren Zeiten den Zusammenhalt stärken und die Zustimmung zu rechtspopulistischen und extremen Parteien schwächen, hoffen die Forschenden.

Und auch für euch selbst könnt ihr dieses Prinzip nutzen, wenn eure Zukunft euch zu ungewiss scheint und ihr unsicher seid, wie es weitergeht. Erkennt darin die Chancen, die sich aus Veränderungen ergeben können. Vergesst die Wut und macht euch stattdessen selber Mut. Wie in so vielen Bereichen ist nicht entscheidend, wie eine Situation ist, sondern wie wir sie bewerten.

Quelle

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 24. November 2025