Auf einer Skala von 1 bis 10

Autor: Ceylan Scott
Übersetzt von Beate Schäfer

Tamar sitzt in der geschlossenen Jugendpsychiatrie. Warum, wieso, weshalb ist zunächst unklar, denn Tamar möchte und kann nicht darüber sprechen. Es hat etwas mit Iris zu tun und Iris ist tot. Während Tamar also in der Klinik wenig erhellende Gespräche mit Psychologen führt, ihre Mitinsassinnen und Mitinsassen kennen und schätzen lernt, erfahren wir als Lesende stückchenweise, was in der Vergangenheit passiert ist. Stärker im Vordergrund steht aber Tamars Krankheitsempfinden, ihr seelischer Druck und Drang, sich selbst zu verletzen sowie zuletzt ihre vergeblichen Versuche, sich umzubringen. Der Roman erzählt davon, wie Tamar strauchelt und scheitert und trotzdem, langsam aber sicher, wieder Boden unter den Füßen gewinnt.

Dieses Buch hätte - auch dem Cover nach - auch ein Psychokrimi oder ein Thriller sein können, ist es aber nicht. Es ist eher ein Roman, in dessen Mittelpunkt eine (vermutlich) recht realistische Beschreibung einer psychischen Erkrankung steht, mit allen Höhen und Tiefen, ohne etwas zu beschönigen und ohne erhobenen Zeigefinger. Der Stil ist dabei sehr einfühlsam, stellenweise auch witzig, das Buch liest sich an einem Tag fast wie von selbst weg, denn es erzeugt einen seltsamen Sog, eigentlich ohne konkrete "Spannung" zu erzeugen.

Ich habe mich allerdings die ganze Zeit gefragt, für wen dieses Buch wohl gedacht oder gar empfehlenswert sein könnte. Das Buch ist mit einer Triggerwarnung versehen - das heißt, dass das Buch eventuell bei manchen Menschen das Bedürfnis auslösen könnte, sich selbst zu verletzen oder sich in Selbstmordgedanken zu ergehen. Man weiß, dass Berichte, Romane oder Filme über Selbstmord eine Art ansteckende Wirkung auf Menschen mit Selbstmordabsichten haben können. Insofern ist das Buch ganz sicher nicht uneingeschränkt zu empfehlen. Vor allem fühlt man sich beim Lesen wie ein Voyeur, wenn man über diese Menschen mit ihren Ängsten, Süchten, Ausrastern und Medikamentengaben liest. Ich würde das Buch darum am ehesten Menschen empfehlen, die sich für Psychologie interessieren und sich auch einen Beruf in diesem Feld vorstellen können, denn es gibt einen anschaulichen Eindruck davon, wie so ein Job in der Realität aussehen könnte.

Auch wenn das Buch einen wirklich emotional mitnimmt, toll geschrieben ist und auch mit Hoffnung für die Figuren zurücklässt, würde ich es aufgrund der vermutlich tatsächlich triggernden Wirkung Jugendlichen eher nicht empfehlen.


*Erschienen bei Carlsen*

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    Autorin / Autor: luthien - Stand: 31. Mai 2019