Leseland Deutschland

Die aktuelle PISA-Studie bescheinigt 15-Jährigen in Deutschland gute Lesefähigkeiten, aber der Abstand zwischen leistungsstarken und -schwachen Schüler_innen wird größer

Die neue PISA-Studie ist da, und ihr zentrales Ergebnis lautet: 15-jährige Schüler_innen in Deutschland können gut Texte verstehen, nutzen und bewerten. Und nicht nur das: mit ihren Lesefähigkeiten übertreffen sie sogar den Durchschnitt der Jugendlichen in den OECD-Staaten. Auch in Mathematik und Naturwissenschaften erreichen die deutschen Ergebnisse ein gutes Niveau. Schaut man sich allerdings die nicht gymnasialen Schulen an, ist der Anteil der Jugendlichen mit sehr geringen Fähigkeiten in allen Kompetenzbereichen leider größer geworden.

Bei der siebten Studie des „Programme for International Student Assessment (PISA)“ wurden im Frühjahr 2018 in Deutschland die Kompetenzen von rund 5.500 15-jährigen Schüler_innen an rund 220 Schulen aller Schularten getestet. Befragt wurden außerdem Lehrkräfte und Eltern. Weltweit nahmen rund 600.000 15-Jährige in 79 Ländern teil, darunter die 37 Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die die Studie koordiniert.

*Was untersucht die PISA-Studie?*
Die repräsentative PISA-Studie untersucht alle drei Jahre, wie gut Jugendliche zum Ende ihrer Pflichtschulzeit grundlegende Fähigkeiten in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften in alltäglichen Situationen anwenden können. Dieses Mal lag der Schwerpunkt auf der Lesekompetenz. Sie umfasst die Fähigkeit, Texte zu verstehen, zu nutzen, zu bewerten und über sie zu reflektieren. Erstmals getestet wurden die Fähigkeiten, Informationen durch das Navigieren auf Webseiten zu gewinnen, sowie die Glaubwürdigkeit von Texten zu beurteilen und widersprüchliche Informationen mehrerer Textquellen gegeneinander abzuwägen.

*Lesen: Deutschland überdurchschnittlich gut*
Schüler_innen in Deutschland haben bessere Lesefähigkeiten (498 Punkte) als der Durchschnitt der 15-Jährigen in den OECD-Staaten (487 Punkte). Deutschland steht damit in einer größeren Gruppe von Staaten mit ähnlichem Leistungsstand, zu der beispielsweise Frankreich, Großbritannien, die USA und Japan gehören. In sieben OECD-Staaten zeigen die Jugendlichen sogar noch bessere Leistungen (523 - 506 Punkte), darunter Estland, Kanada, Finnland und Polen.

Das diesjährige Ergebnis ist ähnlich zu dem von 2009, als das Lesen zuletzt im Mittelpunkt der PISA-Studie stand. Der Anteil der Schüler_innen, die besonders gut lesen können (11 %), ist in Deutschland seit 2009 sogar gewachsen und größer als im OECD-Durchschnitt. Allerdings ist auch der Anteil derjenigen groß, die Schwierigkeiten mit dem Lesen haben (21 %), vor allem wenn man ihn mit Staaten vergleicht, die ähnliche Gesamtergebnisse wie Deutschland haben. An den nicht gymnasialen Schulen ist er seit 2009 sogar auf 29 % gestiegen.

*Große Diskrepanz in der Lese-Fähigkeit*
„Die gute Nachricht ist, dass der Großteil der Jugendlichen in Deutschland hohe Lesekompetenzen hat – eingeschlossen die Fähigkeit, relevante Informationen im Internet zu finden und zu bewerten. Der Blick auf andere Staaten zeigt: Es ist keineswegs selbstverständlich, ein solch gutes Niveau halten zu können“, sagt Prof. Kristina Reiss vom Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) an der Technischen Universität München (TUM), die den deutschen Teil der PISA-Studie leitet.
„Die schlechte Nachricht ist, dass ein Fünftel der 15-Jährigen kaum in der Lage ist, den Sinn von Texten zu erfassen und zu reflektieren. Aus diesem Ergebnis sollten Konsequenzen gezogen werden. Die Bildungsforschung zeigt, dass es besonders wirksam ist, Kinder von der Vorschule bis zum Ende der Schulzeit lückenlos beim Lesen zu fördern. Das geschieht bislang trotz aller Anstrengungen wohl immer noch zu wenig.“

*Starker Zusammenhang von sozialem Status und Kompetenz*
Was die Bildungsforscher_innen noch herausfanden, ist, dass der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft der Jugendlichen und ihrer Lesekompetenz in Deutschland besonders stark ausgeprägt ist. Das heißt, 15-Jährige aus Familien mit niedrigem Bildungs- und Wohlstandsniveau haben eher Schwierigkeiten beim Lesen als andere. Und besonders besorgniserregend finden die Studienleiter_innen, dass der Zuwanderungshintergrund hierzulande stärker mit dem sozialen Status verknüpft ist als in anderen Ländern, was einiges über mangelnde Chancengleichheit in Deutschland aussagt.

*Weniger Freude am Lesen, selten digitale Medien im Unterricht*
Trotz der guten Lesefähigkeiten lesen 15-Jährige hierzulande weniger und haben weniger Freude daran als die Jugendlichen im OECD-Durchschnitt. Mehr als die Hälfte gibt an, vor allem zu lesen, um benötigte Informationen zu bekommen. Nur rund ein Viertel zählt Lesen zu den liebsten Hobbys. Allerdings sind Lesemotivation und -menge seit 2009 in allen getesteten Ländern gesunken.

*Mathematik: schlechtere Leistungen*
Zwar sind die Jugendlichen in Deutschland in Mathematik kompetenter (500 Punkte) als der Durchschnitt der 15-Jährigen in den OECD-Staaten (489 Punkte), aber im Vergleich zur PISA-Studie 2012, als Mathematik zuletzt im Mittelpunkt stand, haben sich die Leistungen verschlechtert. Der Anteil der Schüler_innen, die besonders geringe Fähigkeiten haben, ist gewachsen (auf 21 %) – vor allem an nicht gymnasialen Schulen (auf 30 %).

*Naturwissenschaften: Ergebnisse stabil auf gutem Niveau*
In den Naturwissenschaften (503 Punkte) bestätigen die 15-Jährigen die Leistungen des PISA-Tests 2015, in dem der Schwerpunkt zuletzt auf diesem Kompetenzfeld lag. Deutschland steht damit erneut über dem OECD-Durchschnitt (489 Punkte). Ähnlich wie in Lesen und Mathematik liegt der Anteil der leistungsschwachen Schüler_innen bei rund einem Fünftel. Er ist insgesamt nicht signifikant größer geworden, hat aber an den nicht gymnasialen Schulen zugenommen (auf 27 %).

*Mädchen im Lesen kompetenter*
Wie in allen PISA-Staaten sind in Deutschland die Mädchen im Lesen kompetenter als die Jungen. Der Unterschied ist aber kleiner als im OECD-Schnitt (26 / 30 Punkte Differenz) und hat sich im Vergleich zu 2009 (40 Punkte Differenz) deutlich verringert. Der Anteil der lesestarken Jungen hat sich verdoppelt.

In Mathematik und in den Naturwissenschaften haben sich die Fähigkeiten der Jungen im Vergleich zu 2012 beziehungsweise 2015 verschlechtert. Dadurch ist in Mathematik der Vorsprung der Jungen gegenüber den Mädchen geschrumpft, in Naturwissenschaften sind jetzt die Jugendlichen beider Geschlechter gleich kompetent.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 4. Dezember 2019