Fehlfarben sind Fahlfarben

Alte Helden wieder ganz frisch - oder?

Knietief?!

Bäuchlings liege ich auf dem Teppich, mit meinen Ohren nah dran an den Boxen des CD-Players. Eingelegt habe ich die neue Platte der Gruppe Fehlfarben. Einen Stift halte ich in der Hand, an dem ich rumknabbere. Dann schreibe ich auf einen Zettel "Knietief im Dispo". Das ist der Titel der CD. Ganz schön aufgesetzt.



Mal ehrlich, den Herren von Fehlfarben geht es doch nicht wirklich schlecht. Sie sind erfolgreich, immer noch populär, egal.

"Kein Auto kann immer fahren, die Menschheit starb vor 1000 Jahren"

Ich beschließe endlich auf "play" zu drücken. Das erste Lied ertönt. Sanfte E-Gitarre, Bass, Ohrwurmmelodie, hört sich gut an, bis die Stimme einsetzt. Hier wird wohl versucht, den Stil eines jungen, schlanken Sängers mit stylisher Britpopfrisur nachzuahmen. Doch der Mann, der in Wirklichkeit singt, ist schon älter. Seine Stimme klingt schnorrig.

"Erlös und Geschwätz, Schnöselmaschine, halt das Leben besetzt."

Ich bedaure, dass Fehlfarben auf deutsch singen. Mein Kopf bleibt still, meine Beine bleiben still, kein Wippen, nichts, ich höre einfach nur zu und amüsiere mich bestens. Ich verstehe jedes Wort und es klingt komisch. In den Achtzigern texteten Fehlfarben noch auf Englisch, in ihren Augen war das Kindergarten-Punkrock. Deshalb folgte dann der Bruch mit dem Alten: Superneue Deutsche Welle und ein großer Erfolg mit "Monarchie und Alltag" 1980. Das ist alles unendlich lang her. Heute wird versucht an einen Stil von damals anzuknüpfen, schon okay. Nur, die Fehlfarben sind älter geworden und sie versuchen dennoch verzweifelt - jung zu wirken.

"Es ist Morgen, niemand mehr da, kaltes Kissen, nicht mal ein Haar..

...tausend Berührungen gab's nicht.. war einmal da, ließ mich benutzen, war immer da.. Sperma im Haar... Scheissteil aus dem Fenster werfen.. Ich geh nicht dran, geh du ran.. Der AB läuft immer auf laut, von daher ist den Nachbarn der ganze Scheiss vertraut."

Ich werfe einen Blick auf meine Notizen. Ohne Musik, ohne den Sänger, wirkt der Text ganz anders, fast poetisch, irgendwie doch gut.

"An der Müllverbrennung in der Nacht...

...wenn der Fluss sanfte Geräusche macht.. was weiß man, was will man machen.. Liebe ist kein sanftes Ruhekissen.. für ein Foto stolpern durch die Baustelle.. Hunger stillen, nicht reden, nur stöhnen.. über den Fluss kommt ein köstlicher Duft"

"Seh nie nach vorn, seh nie nach vorn, was habe ich denn da vorn verloren.."



Während ich auf dem Boden liegend über "Müllverbrennung in der Nacht" sinniere, mich dabei sogar eine sanfte Melancholie überkommt, rüttelt mich Lied Nummer 12 wieder auf.
Schon gut, ich kneife die Augen zusammen und denke, dass die Fehlfarben doch Ähnlichkeit mit einer Altherrenkombo haben.

"Dir geht's gut, du bist gesund, alle reden dir nach dem Mund, dann kommst du auf den Hund, ganz plötzlich ohne Grund."

Es klingt fast so, als ob die Fehlfarben mit ihrem neuen Album gerne ein Comeback feiern würden. Das ist doch schwierig, zwanzig Jahre nach ihrer Blütezeit. Diese Zeit war geprägt von "Verschwende deine Jugend". Heute richten sich die Fehlfarben ganz nach "Bewahre deine Jugend" und das soll authentisch sein? Bei den Fehlfarben hat sich etwas erheblich verändert. Bei genauerem Hingucken ist das "e" in "Fehl" mit der Zeit auseinandergeflossen, jetzt ist es "fahl".

Und hier geht's zur

Autorin / Autor: flaschenpost - Stand: 5. November 2002