Sophia: "People Are Like Seasons"

Vielschichtige und doppeldeutige Songs eines Querdenkers

“Robin Proper-Sheppard ist Sophia. Und Robin Proper-Sheppard ist ein sturer Bock. Und ein Stehaufmännchen. Was er als Kompliment auffassen würde.“ In diesem Beginn der Pressemitteilung zur Veröffentlichung des neuen Sophia-Albums spiegelt sich schon die Persönlichkeit dieses Künstlers mit außergewöhnlichem Namen wider: Sophias Frontman, Erfinder und kreativer Kopf aus San Diego ist ein Einzelkämpfer und Querdenker der ganz besonderen Sorte. Aus der Hardrock-/Grunge-Ecke („The God Machine“ Anfang der 90er) stammend, wurde er nach dem plötzlichen Krebstod eines Bandmitglieds von The God Machine und dem Ende der Band in London Produzent. Er gründete sein eigenes kleines Label und es dauerte einige Jahre, bis er wieder anfing, zu komponieren. Sein Stil hatte sich allerdings geändert: Sophia, sein neues Projekt, bot depressiv-melancholische, introvertierte und sehr intensive Songs. „People Are Like Seasons“ ist nun das erste Album, das nicht nur Schwermut, sondern auch Hoffnung in sich trägt: „Es Strahlt neben aller Gefühligkeit, neben aller Melancholie und Traurigkeit auch wieder Kraft und Lebensmut, aber auch eine ordentlich Portion Wut aus.“ (City Slang)

*Vom Blinzeln in der Frühlingssonne und der Wut*
Der Opener „Oh My Love“ (es geht, wie sollte es anders sein, um Liebeskummer) erinnert entfernt an Pop, ist aber, wie alle Sophia-Songs, vielschichtig und doppeldeutig: Einerseits hat das Lied einen treibenden Refrain und gute Drums, andererseits scheint es in Trance vorbeizuschweben. „Fool“ hingegen erwacht aus der Nacht und blinzelt jetzt in der Frühlingssonne, den hellen Horizont immer im Blick. Hier, bei diesem schönen Klavierlauf, kommt sogar leise und schüchterne Hoffnung auf, vergleichbar mit dem weniger starken, eher chilligen und passiven „Swept Back“, dass aber einen wunderschönen, Coldplay-haften Refrain hat. In „Holidays Are Nice“ kann man sogar schon von Sommersonne sprechen – der Titel scheint ernst gemeint zu sein! Durch die übereinander gemischten Stimmen stellt sich ein wahres Optimismus-Feeling ein. Mit „Darkness“, das entfernt an den Black Rebel Motorcycle Club erinnert, und „If A Change Is Gonna Come“, kehrt Robin Proper-Sheppard ein Stück zu seinen Metalwurzeln zurück. In letzterem zerpflückt er das gute alte Blues-Schema und singt „Life’s a bitch and then you die“. Es überwiegt allerdings nicht Resignation, sondern Wut, was sich dementsprechend im Sound niederschlägt. „Swore To Myself“ wirkt dagegen eher wie ein Therapiesong (“swore to myself I’d never get lost again”), der genauso wie „I Left You“ und „Another Trauma“ etwas schlaff dahinplätschert, ohne das etwas Nennenswertes passiert. Ganz nett halt. Jetzt jedoch offenbart sich das Genie: „Desert Song No.2“ ist definitiv das faszinierendste (und mit über sieben Minuten auch das längste) Stück des Albums. Eingeleitet von ungewöhnlichen Streichern, geht es zu Akustikgitarre über und bindet dann das Klavier mit ein. Von Proper-Sheppards fragiler Stimme fühlt man sich ebenso seltsam angezogen wie von der meisterhaften Dramatik und dem Aufbau des Songs. „Just let yourself go“ – das ist Programm des Songs, der auf eine Gedankenreise führt. Spätestens beim Einsetzen der E-Gitarre ist man restlos überwältigt.

*Nachdenklich statt düster*
Das Album lässt – nicht nur nach dem ersten Hören – aufgewühlt zurück. Es ist nicht „gefällig“ und leicht zu konsumieren, das heißt, man muss sich an die Songs gewöhnen, sie mehrmals hören, um immer mehr zu entdecken und „an den Grund zu stoßen“. Robin Proper-Sheppard ist definitiv ein sehr guter Musiker; die Songs haben durchgehend sehr gute Refrains, sind nur manchmal zu energielos. Anscheinend hat der Ausnahmemusiker sich aber im Vergleich zu früheren Sophia-Alben schon sehr viel weiterentwickelt, denn die neue Platte klingt nun eher nachdenklich als düster und nur melancholisch, aber nicht mehr dunkel. Besser als Lukas Heinser (Plattentests online) kann man es dann auch nicht ausdrücken: „Es bleiben der garantierte Gänsehaut-Effekt, der Kloß im Hals und die feuchten Augenwinkel. Die Trauer und die Hoffnung. Der Winter und der Frühling. Four Seasons in one day.“

Autorin / Autor: tahoma - Stand: 24. Februar 2004