Wer hat mehr Klasse?

Die zweite Runde

Nach einer 632jährigen Bauzeit, inklusive einer 314jährigen Pause, wurde 1880 linksrheinisch der Kölner Dom fertiggestellt. Gut Ding will Weile haben. Die Kathedrale fasst so viele Menschen, wie reinwollen. Sie hat nicht unbedingt größere Kapazität als die rechtsrheinische Konkurrenz, aber das größere Herz. Ihre prominenten Gäste spielen in einer über die der Kölnarena weit erhabenen Liga. Das Who is Who der katholischen Kirche gibt sich hier die heilige Klinke in die Hand. 1164 machten sich sogar die Heiligen Drei Könige auf den langen Weg von Mailand hierher. Posthum zwar, aber dafür sind sie bis heute geblieben. Links also: Der Dom. Groß. Gotisch. Gut. Dagegen rechts: Die Kölnarena. Groß. Eins zu null. Wo solch Glanz und Glorie, da Abgrund. Jede Stadt hat auch ihr gefährliches Pflaster.

Und auch hier: Verbrecher

Auf in die zweite Runde also, auf in den Kampf der Verbrecherviertel. Da macht sich in der rechtsrheinischen Ecke meines Boxrings ein Gedränge bemerkbar. Man steht hier vor dem Problem, sich nicht so recht entscheiden zu können, wen man in den Kampf schickt. Die Stadtteile Kalk und Mülheim, um nur zwei Aspiranten zu nennen, bemühen sich seit Jahren erfolgreich um einen schlechten Ruf. Doch bevor sich die beiden nicht zusammenschließen unter dem Motto „Gemeinsam sind wir schlecht“ haben sie dem nichts entgegenzusetzen, womit die linke Seite in dieser Kategorie aufwarten kann. Es bedarf dazu nicht mal eines Viertels. Das verbrecherische Potential kulminiert förmlich in einer einzigen Straße: Dem Eigelstein. Das belegen die Kriminalstatistiken vergangener Jahre, die folgende Aussage treffen: Wenn Sie in Köln eines unnatürlichen Todes sterben, passiert das mit großer Wahrscheinlichkeit hier. Davon lässt sich der Kölner nicht einschüchtern. Der Eigelstein ist tagsüber eine regelrecht populäre Einkaufsstraße, seiner vielen Fachgeschäfte und der sich in jüngerer Zeit in gleichmäßigen Abständen dazwischen postiert habenden Dönerbuden wegen. Vermutlich braucht der Kölner den Kick des Gefährlichen und sei es beim gerne abgenickten „Dürfen’s auch 100 Gramm mehr sein?“ einer Fleischfachverkäuferin. Uriger und zugleich urbaner kann ein Einkauf kaum sein. Das erkannte schon Heinrich Böll, der dem Eigelsteinviertel mit seinem Essay „Straßen wie diese“ ein Denkmal setzte. Halten wir fest: In der Kategorie Verbecherviertel siegt Links ganz klar mit einem zwiespältigen Pflaster, das schon bei einem Nobelpreisträger einen Stein im Brett hatte. Zwei zu null.

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Autorin / Autor: alexi - Stand: 11.November 2005