Aus dem Kölnbuch: Seitenkampf

Köln hat zwei Seiten. Aber welche ist besser?!

Alexi ist Buchautorin. Neuerdings. Sie hat einen Text für das "Kölnbuch" des Verbrecher Verlags geschrieben. Keine kriminelle Vereinigung, sondern ein Verlag, der unter anderem Stadtbücher der anderen Art herausgibt. Der anderen Art? Die Texte der Stadtbücher sind persönlich, lustig oder bizarr. Die AutorInnen der Texte machen sich Gedanken über die Stadt, in der sie leben oder lebten, die sie lieben oder hassen oder beides gleichzeitig. Und wie alles hat auch Köln zwei Seiten. Lest selbst.

Wer gewinnt?

Diese Ambivalenz, diese Zweideutigkeit, verdankt die Stadt nicht etwa einer durchgängig bei allen Einwohnern vorzufindenden Schizophrenie. Nein, so ist das nicht. Das schreibe ich mal ganz ausdrücklich, während mein anderes Ich gefesselt und geknebelt auf dem Stuhl neben mir sitzt und nicht widersprechen kann. Was Köln teilt, ist älter als es selbst: Vater Rhein. Heutzutage verbinden im Kölner Stadtgebiet sechs Brücken die beiden Rheinseiten. In manchen kölschen Köpfen allerdings fehlt immer noch das Bindeglied der Toleranz. Dann findet man die jeweils andere Rheinseite doof. Das „doof“ ist dabei enorm facettenreich und entspricht bei jedem Individuum einem anderen Prädikat aus der Liste fadenscheiniger Gründe für Intoleranz, die von „langweilig“ bis „arrogant“ reicht. Ja, es ist ein Klischee. So eines wie das von der gegenseitigen Antipathie von Köln und Düsseldorf. Angeblich hätte die eine Stadt die andere schon längst mit einer Atombombe bedacht, läge sie nicht auch selbst im Zerstörungsradius. Tatsächlich kommen aber auch kleinere Waffen nicht zum Einsatz. Dennoch hat der Zwist zwischen den beiden Städten und den Rheinseiten Tradition und solche pflegt der Kölner einfach gerne. Schon 55 vor Christus bekriegten sich die linken Römer mit den rechten Germanen. Im zivilisierten zweiten Jahrtausend soll ein Gedankenexperiment genügen, um die heute überlegene Seite zu ermitteln.

Im Boxring: rechts und links

Im fiktiven Boxring begrüße ich die linke Rheinseite, der Einfachheit halber in der linken Ecke angesiedelt, sowie die rechte Rheinseite, raten Sie mal wo. In der ersten Runde treten die Statussymbole der beiden gegeneinander an: Ihre kaum zu übersehenden Massenveranstaltungsorte. 1998 wurde rechtsrheinisch nach zweijähriger Bauzeit die Kölnarena fertiggestellt. Das sollte die Stadt aus der Verlegenheit befreien, keine Halle adäquater Größenordnung für spektakuläre Sportveranstaltungen und Konzerte internationaler Erfolgsmusiker bieten zu können. Das Renommee ihrer prominenten Gäste wertet die Kölnarena zunächst auf. Regelmäßig anzutreffen sind dort: Das beständige Mitglied der Deutschen Eishockeyliga, Die Kölner Haie, internationale Erfolgsmusiker und – niederländischstämmige Violinisten mit wallendem Haar und eigenem Orchester. So einer fertigte am ersten Januar zwei Ladungen Kölnarena ab. Neujahrsmittagkonzert und Neujahrsabendkonzert. Ich erwarte des großen Erfolges wegen nächstes Jahr auch ein Neujahrsmorgenkonzert, mit Donauwalzer gegen den Kater. Drei Neujahrskonzerte in der ausverkauften Kölnarena, eine einfache Dreisatzrechnung, ergibt 60.000 Zuschauer. Zweifellos findet da jemand sein Publikum, doch das garantiert noch lange nicht stilvolle Unterhaltung.

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Autorin / Autor: alexi - Stand: 11. November 2005