Tutorials glotzen reicht nicht

Forschung: Wer andere häufig bei bestimmten Fertigkeiten beobachtet, glaubt am Ende, sie auch zu beherrschen

Jonglieren, Fahrradreparatur, Kuchen backen, Programmieren - für alles gibt es ein Tutorial, in denen irgendein toller Mensch uns zeigt, wie man irgendetwas macht. Aber verbessern solche Lehrvideos wirklich unsere Fähigkeiten? Oder kommt es uns nur so vor, als hätten wir drauf, was wir gerade gesehen haben. Diesen Fragen sind die Forscher Michael Kardas und Ed O’Brien von der University of Chicago Booth in einer experimentellen Studie nachgegangen. In einem Online-Experiment sollten insgesamt 1003 Testpersonen sich mit dem Tischdeckentrick beschäftigen (die Tischdecke unter dem Geschirr wegziehen, ohne dass etwas kaputt geht). Einige sahen das Video 20 mal und fühlten sich anschließend sehr wohl in der Lage, den Tischtuchtrick anzuwenden. Wer hingegen das Video nur einmal gesehen oder lediglich über den Trick gelesen oder nachgedacht hatte, hatte da weniger Selbstvertrauen.

Ob diese Einschätzungen auch wirklich begründet sind, testeten die Wissenschaftler in einem weiteren Versuch. Hier sollten 193 Teilnehmer_innen ihre Fähigkeiten beim Dartspiel unter Beweis stellen. Eine Gruppe sah ein entsprechendes Tutorial 20 Mal. Diese Gruppe glaubte dann auch, mehr Punkte erzielen zu können und auch öfter ins Schwarze zu treffen als die Konkurrenz, die das Video nur einmal gesehen hatte. Das erwies sich jedoch als Einbildung. Die Vielsehergruppe schnitt nicht besser ab.

Auch bei anderen Themen fanden die Forscher dieses Phänomen: ob Moonwalk oder Computersiele - wer andere in Tutorials bei irgendwelchen tollen Fertigkeiten mehrfach beobachtet hatte, glaubte stärker, es ebenfalls zu können. Die Forscher halten dieses Phänomen insofern für problematisch, als dass wir heute ständig irgendwelche Menschen gezeigt bekommen, die uns ihre tollen Fähigkeiten präsentieren und dass die beim Beobachter damit einhergehende Selbstüberschätzung gefährlich sein könnte.

Wenn wir zwanzig Mal sehen, wie jemand einen Herd selbst anschließt, ohne Seil einen steilen Berg besteigt oder mit bloßen Händen eine Giftschlange fängt, dann fühlen wir uns vielleicht gewappneter als wir es sind. In der Realität sollten wir unsere Grenzen kennen und einsehen, dass glotzen alleine nicht reicht und es ohne Übung auch keine_n Meister_in gibt.

Die Ergebnisse der Studie sind im Fachjournal Psychological Science erschienen.

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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 14. März 2018