Die Unmöglichkeit des Lebens

Autor: Robin Stevenson
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Inge Wehrmann

Das Cover ist in sanften Orange- und Rosatönen gehalten. Beinahe wie das schwindende Licht eines Sonnenuntergangs. Schwarze Schatten scheinen die Höhe des Covers „hinabzufallen“. Es ist einer jener verräterisch sanften Bucheinbände.
So ruhig und schlicht Robin Stevensons Jugendbuch „Die Unmöglichkeit des Lebens“ von außen wirkt, so chaotisch und emotional spielt es sich dagegen zwischen den Buchdeckeln ab.
Denn es geht, einfach gesagt, um den Tod.
Um Tod als staatlich legitimiertes Urteil.
Um Tod als Unfallfolge eines miesen Schicksals.
Um Tod als selbstgewähltes Ende der eigenen Existenz.
Und es geht um die Frage nach Schuld. Die Frage nach Gerechtigkeit.
An dieser Stelle ist es vielleicht sinnvoll den englischen Titel des Buches zu erwähnen. Im Original heißt es nämlich „The World Without Us“ (dt. Die Welt Ohne Uns) und verrät hier doch deutlich mehr. Denn das Thema Suizid ist ein tragendes Motiv in dieser berührenden und nachdenklich stimmenden Geschichte und der Aufhänger, an dem die Erzählung beginnt.
Berichtet wird aus Sicht der Ich-erzählenden Protagonistin Melody, genannt Mel. Mit dem Tod wurde sie von klein auf konfrontiert, da sich ihre Mutter aktiv gegen die Todesstrafe einsetzt, die in dem US Bundesstaat, in dem sie leben, nicht nur verhängt sondern auch aktiv durchgeführt wird. Doch als Jeremy in Mels Leben tritt, wird sie erstmals herausgefordert, ihre Sicht zu hinterfragen. Nachzufragen, ob man den Tod vielleicht doch „verdienen“ kann. Mit Jeremy kann sie ganz frei über alles reden und sie kommen sich näher, sind so etwas wie beste Freunde – oder ist da mehr? Aber wie soll sich Mel darüber klar werden, was sie für Jeremy empfindet, wenn so viele Häftlinge hingerichtet werden, wenn Jeremy der Vergangenheit nachhängt und versucht, durch Klarträume ein letztes Mal mit seinem verstorbenen Bruder zu reden? Und wann wurde das, was Mel nur für ein etwas makabres Gedankenspiel zwischen sich und Jeremy hielt, zu etwas realem, das sie durchziehen würden? Wann ging es darum, sich tatsächlich das Leben zu nehmen?
Das Buch beginnt in jenem Moment, als Mel und Jeremy von der Brücke springen wollen. Er springt. Sie nicht. Denn das war doch nur ein Spaß!?
Mel erzählt abwechselnd von dem was gegenwärtig geschieht und welche Ereignisse in den vergangenen Wochen zu diesem Moment auf der Brücke geführt haben.
Und immer wieder kommt sie darauf zurück: Sie ist nicht unschuldig. Es gab so viele Warnzeichen. Sie hat sie allesamt missachtet.

Schonungslos nimmt sie die ihre Erinnerungen auseinander und bezieht Stellung. Bereut. Und fürchtet, jemand könne herausfinden, wie viel sie mit Jeremys Selbstmordversuch tatsächlich zu tun hat.
„Die Unmöglichkeit des Lebens“ ist schwer einzuordnen, sehr schwer zu bewerten. Einerseits ist es sehr beeindruckend, wie sich die Geschichte nach und nach zusammensetzt und Verbindungen ans Licht kommen. Auch die Ehrlichkeit und das beinahe grausam Schonungslose ist faszinierend und unter Jugendromanen eine wahre Rarität. Am Schreibstil habe ich ebenfalls nichts zu kritisieren, denn er passt perfekt zum Gesamteindruck. Dennoch ziere ich mich, eine offene Empfehlung auszusprechen. Der Roman hat mich sehr zum Nachdenken gebracht, zum einen über das umstrittene Thema Todesstrafe und zum anderen über die Frage nach Wachsamkeit im eigenen Umfeld. Aber er hat mich auch traurig gestimmt, geradezu deprimiert. Es ist ein gelungenes und sehr vielschichtiges Buch, das sicherlich helfen kann, suizidale Absichten zu verstehen und frühzeitig zu erkennen. Trotzdem möchte ich ausdrücklich davor warnen, das Buch zur Hand zu nehmen, wenn man sich bereits in einer schwierigen Lebensphase befindet. Hier kann das Buch sehr leicht „triggern“, also Mechanismen im eigenen Denken in Gang setzten, die zu Kurzschlussreaktionen und selbstgefährdendem Verhalten führen kann!

Ich gebe also vorsichtige 4 von 5 Punkten und lege das Buch vor allem jenen ans Herz, die mit jungen Leuten zu tun haben (etwa Lehrer, Schulpsychologen, …) die hier auf eine einzigartige Art für Themen wie Depression, Suizidalität und Tod im allgemeinen sensibilisiert werden können. 


*Erschienen bei Beltz*

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Autorin / Autor: cheshirekitty - Stand: 30. Mai 2018