Stupid white men

Mit bissigem Sarkasmus schreibt Michael Moore über alles, was in den USA tabuisiert wird - ein unbedingt lesenwertes Buch und eine Freude für jeden, der kritisch über die derzeitige amerikanische Regierung denkt.

Fast jeder von uns erinnert sich an die Nacht der Oskar-Verleihung. Plötzlich stand da ein Mann, und es sah so aus, als hätte ein Demonstrant die Bühne gestürmt um seine politische Botschaft vor einem Millionenpublikum zu verbreiten. Nun, er war ein Demonstrant, er hatte eine politische Botschaft, aber er war nicht auf die Bühne gestürmt: dieser Mann war ein geladener Gast, er hatte soeben den Oskar für den besten Dokumentarfilm gewonnen. Als dieser Mann es auch noch wagte seine Meinung laut auszusprechen, in einem Land in dem die inoffizielle Losung "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!" gilt, wurde die ganze Welt auf ihn aufmerksam. Es war Michael Moore. Sein Buch "Stupid white men" schoss auf Platz 1 in Bestsellerlisten überall auf der Welt und es stand endlich fest, dass es in Amerika nicht nur regierungstreue Ja-Sager gab, sondern auch Leute, die es ohne Rücksicht auf die Folgen noch wagten ihre "unpatriotische" Meinung kundzutun.

*Dreiste Politiker und miese Wirtschaftsbosse*
Mit dieser Meinung hat Moore allerdings nicht nur überall in der Welt Freunde und Bewunderer gewonnen, sondern auch viele neue Feinde, besonders und hauptsächlich unter den Zwölfen auf seiner Zielscheibe: dreiste Politiker, denen das Wohl der Wirtschaft mehr am Herzen liegt als das Wohl des Volkes, miese Wirtschaftsbosse, die alles dafür tun würden um ein paar Steuermillionen zu sparen und denen es egal ist, ob für ihre "legale" Steuerhinterziehung der Otto-Normal-Amerikaner bezahlen muss. Doch nicht nur die Republikaner müssen in "Stupid White Men" Rechenschaft ablegen, auch die Demokraten kriegen ihr Fett weg. Denn im Gegensatz zur allgemeinen öffentlichen Meinung kamen die amerikanischen Probleme nicht erst mit George W. Bush, sondern waren schon unter Clinton gigantisch. Nach Moore ist Bush "nur die hässlichere und ein wenig fiesere Version" von Bill Clinton. Es ist also nicht so, dass Moore eintönig immer wieder in die selbe republikanische Wunde schlägt, er versucht (zwar in abgespeckter Form, aber immerhin) darzustellen, dass man nicht einen Mann, der zudem noch von Papis Freunden dirigiert wird, dafür verantwortlich machen kann, dass es einem Land wie Amerika so abgrundtief schlecht geht. Man fragt sich, warum Michael Moore das alles in Kauf nimmt.

*Menschen ohne blau-rot-weiße Brille*
Warum wagt es dieser Mann, der aussieht, als würde er selber gerade erfahren, was es heißt am Boden zu sein, warum wagt er es sich mit der (noch) mächtigsten Nation der Welt anzulegen? Ganz einfach: Michael Moore ist Patriot. Er möchte das Beste für sein Land und nicht für die amerikanische Wirtschaft. Er möchte der Welt zeigen, das es in Amerika noch Menschen gibt, die die Welt nicht durch die blau-rot-weiße Brille sehen. Mit bissigem Sarkasmus schreibt Michael Moore über alles, was in den USA tabuisiert wird. Er untersucht den Wahlbetrug in Florida, wo Georges Bruder Jeb, der dortige Gouverneur, Bush jr. zum Wahlerfolg verholfen hat. Er nimmt die ganze Mannschaft unter die Lupe, die hinter bzw. vor George W. Bush steht, und enthüllt schonungslos alle Verbindungen der Junta zu amerikanischen Großunternehmen. Des weiteren widmet sich Moore lustvoll dem "Abschwung" der amerikanischen Wirtschaft, dem maroden Bildungs- und Gesundheitssystem, der verheerenden Umweltverschmutzung, der Arbeitslosigkeit, dem Weltfrieden und dem Rassismus. Jedes Thema wird mit Zahlen, Daten, Fakten, wissenschaftlichen Berichten und Statistiken belegt, Moore lässt persönliche Erfahrungsberichte einfließen und so kommt man zu einem eindrucksvollen Leseerlebnis, das nur weiterzuempfehlen ist. Doch soviel Spaß es auch macht dieses Buch zu lesen und so sehr es einem politisch interessierten Menschen aus dem Herzen spricht, die Daten und Fakten, auf die sich Moore beruft, sind schwer nachprüfbar und zahlreiche Informationen werden derart aufgebauscht, dass man den anderen nicht mehr trauen mag. Michael Moore macht aus allem und jedem einen Skandal und manchmal scheint es, als würde er alles für einen gelungenen Lacher tun.

*Lust auf mehr Skandale?*
Dennoch ist dieses Buch eine Freude für jeden, der kritisch über die derzeitige amerikanische Regierung denkt und man kann sich auf sein neuestes Werk, "Dude, where’s my country?" freuen, in dem in altbekannter Weise die amerikanische Upperclass-Gesellschaft aufs Korn genommen wird und das am 7. Oktober in Amerika erscheint (Erscheinungstermin in Deutschland noch unbekannt). Wer noch mehr vom "Stupid white men" lesen möchte, kann dies unter www.bowlingforcolumbine.com tun. Auf dieser Seite hat Michael Moore ein Extra-Kapitel über den 11.9. gratis ins Internet gestellt. Absolut lesenswert, aber auf englisch!

Autorin / Autor: wiecky - Stand: 6. Oktober 2003