Bronsky Geständnis. Fuck America

Autor: Edgar Hilsenrath
Ein etwas anderes Buch mit einer erfrischenden Umgangssprache, das nach Startschwierigkeiten einen bleibenden Eindruck hinterlässt

In dem Roman "Fuck America" von Edgar Hilsenrath wird die Lebensgeschichte eines deutsch stämmigen Juden wiedergegeben, der sich mit seinen - nicht ganz unwichtigen - Problemen auseinander setzen muss. In dieser Erzählung versucht Jakob Bronskys Familie kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges eine Einreisevisum in die USA zu bekommen, wodurch sie sich vor den Nazianhängern schützen könnten. Da dies aber zunächst verweigert wird, kommt die Familie auf eine Warteliste für Einwanderer, wonach sie erst in über 10 Jahren an der Reihe wären. Edgar und seine Familie überleben jedoch und im Jahre 1952 zieht Edgar nach New York. Dort beginnt er ein Buch zu schreiben, was er "Der Wichser" nennt. Geld verdient er nur sehr wenig, wenn es nicht mehr anders geht, nimmt er Gelegenheitsjobs an und schreibt anschließend wieder an seinem Buch weiter. Allerdings ergaunert er sich auch einiges, ansonsten käme er nicht über die Runden. Ab und zu gibt er sein Geld auch für ein Strichmädchen aus; eine Freundin, die jemanden seiner "niedrigen" Klasse nehmen würde, findet er nicht. Relativ häufig schreibt er an seinem Buch in einem Emigrantencafe, in dem man fast seinen gesamten Bekanntenkreis finden kann. In einem ähnlichen Café lernt er dann Pinky, einen Bettler, kennen, mit dem er einiges an Geld bei einem seiner Jobs "verdient". Nach mehreren Wohnungswechseln, um dem Miete zahlen aus dem Weg zu gehen, landet er bei einer alten Frau, die ihm sogar einen Fernseher zur Verfügung stellt, mit dem er gespannt die Sendung der Psychologin Mary Stone verfolgt. Zu dieser Zeit erkrankt Jakob Bronsky an Diabetes, weshalb er seinen unregelmäßigen Lebensstil aufgeben muss.

*Verschleierter Anfang, verschleiertes Ende*
Das Buch endet dann, indem er sich vorstellt, von Mary Stone beraten zu werden und ihr zwei verschiedene Versionen des Leben des Jakob Bronsky zu erzählen. Eine, als er mit den 6 Millionen Juden gestorben ist, und eine, in der er sich durchbeißen kann. Dadurch, finde ich, verschleiert er das Ende seines Buches, bzw. den Anfang seines Lebens, wie er es auch zu Beginn des Buches verschleiert, wie er den Krieg überlebt hat, indem er seine Charaktere solange eine Geschichte zusammenbasteln lässt, bis eine einigermaßen glaubwürdige herauskommt. Ich denke, Edgar Hilsenrath verarbeitet, wie es auch Jakob Bronsky tut, in diesem Buch seine Vergangenheit. Aber das ist nicht die einzige Parallele zwischen Autor und Buchfigur, Lebenslauf und eventuell auch Charakter sind ähnlich. Aber das Beste an diesem Buch ist meiner Meinung nach, dass Edgar Hilsenrath vor allem auch dunkle Seiten des ach so schönen Amerikas gezeigt werden. So zum Beispiel die Strichmädchen, die an jeder Straßenecke stehen, oder die Kriminalität, als Jakob bei einem seiner Jobs überfallen wird. Es wird außerdem verdeutlicht, dass es zumindest in dem New York von damals eine starke Unterdrückung von Minderheiten gibt. Das kann man zum Beispiel an den mehrfach aufgeführten Preisen der Prostituierten sehen, bei denen schwarze Frauen weniger kosten als Puertorikanerinnen und erst recht weniger als weiße Frauen. So eine Szene beschreibt den Charakter des Buches gut, da es für Jakob Bronsky alltäglich war, Strichmädchen zu sehen oder nachts mit seinen Bekannten über sein Liebesleben zu reden. Allgemein gesehen, finde ich sein Leben sehr eintönig, vielmehr als den halben Tag schlafen, nachts am Buch schreiben, sich etwas zu ergaunern oder mal einen kleinen Job annehmen, passiert nicht. Dabei will ich aber nicht sagen, dass es schlecht so ist, dadurch wird das Leben eines Emigranten wahrscheinlich ausgezeichnet, aber für meinen Geschmack könnte ein bisschen mehr passieren.

*Eins der mächtigsten Länder der Welt mal ganz klein*
So bekommt man jedoch wahrscheinlich auch das Gefühl, das alles sei sehr realitätsnah und man denkt, man liest "Der Wichser", nicht "Fuck America". Die Dialoge sind erfrischend umgangssprachlich formuliert, teilweise wirken sie auf mich aber einfach abgehackt, damit das Buch schneller fertig ist. Aber auch gerade deswegen gefällt mir das Buch immer besser, je länger man sich damit befasst. Bis auf den Anfang und den Schluss, indem Edgar Hilsenrath seinen Charakter je zwei Versionen seiner Geschichte erzählen lässt, bin ich gut mit dem Buch zurechtgekommen. Ich vermute je eine dieser Geschichten entspricht der Wahrheit, die andere ist vielleicht nur eine Alternative, die der Autor eigentlich seinem Buch geben wollte, damit man selbst entscheiden kann, welche einem besser gefällt. Insgesamt finde ich das Buch ziemlich gut, trotz Startschwierigkeiten, bis ich mich an die Dialogform gewöhnt hatte. Besonders das Ende hinterlässt bei mir einen bleibenden Eindruck. Deswegen kann ich das Buch denen empfehlen, die über 16 sind und mal Lust auf ein etwas anderes Buch haben, und vielleicht ist es was für die, die nicht unbedingt Amerika-Fans sind und eins der mächtigsten Länder der Welt mal ganz klein sehen wollen.

Autorin / Autor: schellie - Stand: 15. März 2004