Zwei Brüder

Autorin: Karine Lou Matignon

Bei den beiden Brüdern, die diesem Buch ihren Namen geben, handelt es sich um Kumal und Shanga, zwei Tigerbabys aus dem indischen Dschungel, die durch die englischen Kolonialherren voneinander und von ihrer Familie getrennt werden. Bevor sie wieder zusammen finden, machen beide sowohl gute als auch sehr, sehr schlechte Erfahrungen mit Menschen. Für den lebhaften, neugierigen Kumal ist es der englische Großwildjaeger Aidan McRory, der ihn lehrt, dass auch Menschen nicht immer Feinde darstellen, während sein schüchterner Bruder Shanga sich mit dem neunjährigen Raoul anfreundet.

Bei diesem Buch gilt es zuerst mal zu beachten, dass es sich um das Buch zum gleichnamigen Film von Jean-Jacques Annaud handelt. Leider merkt man es „Zwei Brüder“ nämlich stellenweise sehr genau an, dass es nach einem Drehbuch geschrieben wurde. Einige Szenen sind vollgepumpt mit Slapstick-Einlagen, die in einem Film vielleicht ganz witzig rüberkommen mögen, in einem Buch jedoch als absolut unrealistisch auffallen. Außerdem bekommt man relativ wenig Einblick in die Charaktere, da eher beschrieben wird, wie diese aussehen als was sie gerade denken. Vermutlich ist es ebenfalls der Über-Orientierung am Drehbuch zuzuschreiben, dass das Buch an manchen Stellen schon verstümmelt kurz wirkt.

Stiltechnisch ist das Buch allgemein ein wenig gewöhnungsbedürftig. Am auffälligsten ist wohl, dass die gesamte Geschichte im Präsens geschrieben ist, was in Szenen, in denen beispielsweise die Landschaft beschrieben wird, einen sehr atmosphärischen Verfolger-Kamera-Effekt hervorruft, in Dialogszenen jedoch eher von der Handlung ablenkt. Davon abgesehen hat Matignons Schreibstil etwas fließendes, manchmal übertrieben künstlerisches (ein Effekt, der durch die Übersetzung aus dem Französischen entsteht?), das manchmal recht gut wirkt, an anderen Stellen hingegen ganze Sätze unter der Last ihrer eigenen Adjektive ersticken lässt.

Alles in Allem ist „Zwei Brüder“ eine warmherzige, parabelhafte Geschichte über das Zusammenleben von Mensch und Tier, die zu kurz ist, um wirklich langweilig zu werden, bei der jedoch einige Schönheitsfehler vom wahren Lesevergnügen ablenken. Fazit: Kann man lesen, muss man aber nicht.

Autorin / Autor: zachanassian - Stand: 8. Februar 2005