Der Nazi & der Friseur

Autor: Edgar Hilsenrath
Anspruchsvoll und nicht gerade zimperlich

"Der Nazi & der Friseur" von Edgar Hilsenrath erzählt die unglaubliche Geschichte des Deutschen Max Schulz, der nach seinen Verbrechen als SS-Mann ein neues Leben unter dem Namen seines ehemaligen jüdischen Freundes Itzig Finkelstein beginnt. Eine schwarze Komödie über das Nazi-Regime, die nur so vor schwarzem Humor strotz. Außerdem ist interessant zu wissen, dass es 1968/69 in Amerika auf deutsch geschrieben und auch dort sowie in Italien, England und Frankrecht erfolgreich verkauft wurde. In Deutschland wurde es erst Jahre später veröffentlich, da die Verlage "Angst" vor solch einer außergewöhnlichen Darstellung des Thema Holocausts hatte.


*Zum Inhalt*
Am 15. Mai 1907 erblickten in der schlesischen Stadt Wieshalle zwei Jungs fast zeitgleich das Licht der Welt. Der eine hieß Max und ist der Sohn von Minna Schulz. Wer sein Vater war, konnte aufgrund von Frau Schulz’ Tätigkeit als Prostituierte nicht festgestellt werden, doch besaßen die fünf Herren, die in Frage kämen, alle einen rein arischen Stammbaum. Kurz nach der Geburt heiratete sie jedoch den dort lebenden schlechten Friseur Anton Slavitzki. Der Name des anderen Neugeborenen lautete Itzig. Seine Eltern, Sara und Chaim Finkelstein, waren Juden, sehr angesehen und Besitzer des Friseursalons „Der Herr von Welt“. Max wurde von Anfang an von seinem Stiefvater vergewaltigt, was bei dem Jungen zu gewissen Störungen, einem „Dachschaden“ führte. Während er und Itzig als Kinder die besten Freunde waren, hasste Slavitzki die jüdische Familie und beneidete Chaim um seinen beruflichen Erfolg. Bei den Finkelsteins lernt Max die jüdischen Bräuche und Gebete kennen und geht sogar mit ihnen in die Synagoge. Eines Tages wollten sie sich zu zweit Israel ansehen. Die beiden Jungen machen so gut wie alles gemeinsam und gehen sogar zusammen bei Itzig’s Vater in die Lehre, was Anton natürlich noch rasender macht. Doch das Leben in Deutschland änderte sich schlagartig, als Adolf Hitler an die Macht kam. Bei einer seiner Reden merkt Max, dass er sich nicht immer unterdrücken lassen und seine aufgestauten Emotionen endlich rauslassen will und den übrigen Zuhörern scheint es nicht andres zu gehen. Kurz darauf traten er und sein Stiefvater der NSDAP bei. Natürlich kündigte Max bei den Finkelsteins und arbeitete dann in dem schäbigen Friseurladen von Slavitzki, der aber gute Umsätze machte, da die Deutschen davor zurückschreckten, sich bei einem Juden die Haare schneiden zu lassen. Der junge Mann brachte es weit in der Partei und wurde sogar Stürmführer bei der SS. Später war er in dem polnischen Erschießungslager Laubwalde stationiert, in dem er die Juden erschoss, sodass sie in die von ihnen selbst geschaufelten Gräben fielen. Eines Tagen traf er dort auch auf seinen Freund aus Kindertagen und dessen Eltern, die er genauso kaltblütig tötete. Nachdem Deutschland den Krieg verlor, wurde die Truppe des Lagers von Russen überfallen und alle außer dem Offizier und ihm umgebracht. Nach weiteren abenteuerlichen sowie grausamen Erlebnissen beschließt der Massenmörder Max Schulz ein neues Leben unter einer neuen Identität zu beginnen, unter dem Namen Itzig Finkelstein...

*Schonungslos und ironisch*
Ich war von „Der Nazi & der Friseur“ von der erste Seite an begeistert! Die Geschichte von Max Schulz ist bemitleidenswert, grausam und blutig, sie macht fassungslos und wütend. Dieser Mann war nie ein wirklicher Antisemit, er tat einfach das, was alle taten und es befriedigte ihn, nach jahrelanger Schändung durch seinen Stiefvater, auch mal Gewalt und Macht über einen andren Menschen zu haben. Obwohl er sich gegen Ende eine Strafe wünscht, die seine Opfer zufrieden stellt, bereut er seine Verbrechen nicht wirklich, da er sich selbst nur als kleinen Fisch unter vielen sieht. Doch trotzdem leugnet Max sie nicht, denn immer, wenn er von sich redet, sagt er „ich, der Massenmörder“. Weil eher die Zeit nach dem Krieg behandelt wird und wenig Wert auf die Beweggründe der Nationalsozilisten und die genauen Geschehnisse gelegt wird, ist hier historisches Vorwissen von Vorteil. Wie bereits gesagt, handelt es sich hierbei um eine Satire, die uns schonungslos, ironisch und brutal von einem Mitschuldigen an einem der größten Verbrechen der Menschheit berichtet, sensible und zarte Gemüter seien also gewarnt. Doch allen, die nach einem anspruchsvollen, nachdenklich machenden und nicht gerade zimperlich dargestellten Werk suchen, kann ich „Der Nazi & der Friseur“ nur empfehlen!

Autorin / Autor: thefirey - Stand: 16. Februar 2005