Waldschutz als Klimaschutz: die große Hoffnung für Paris

Ein Text von Lisa Murken

*Kann der REDD+-Mechanismus die Klimaverhandlungen Ende des Jahres entscheidend voranbringen? Während andere Verhandlungsthemen an einem kritischen Punkt angelangt sind, ist das Instrument gegen die Abholzung von Wäldern schon weit ausgereift.*

In einem kleinen Dorf in Dja-et-Lobo im äußersten Süden Kameruns haben sich die Bewohner vor einigen Jahren entschlossen, mit ihrem Wald ganz anders umzugehen, als es der Rest der Kameruner größtenteils tut. Anstatt große Flächen zu roden um Landwirtschaft betreiben und Holz verkaufen zu können, erhält die Dorfgemeinschaft jährlich Geld aus Europa, damit sie ihre Bäume bewahrt und schützt. Das erste Geld ist 2012 geflossen und eine positive Bilanz des Center for International Forestry Research (CIFOR) stimmt optimistisch, dass dieses Beispiel in Kamerun Schule machen könnte.

Bis zu 20 Prozent der weltweiten Kohlenstoffemissionen gehen auf Entwaldung zurück, damit hat die Abholzung einen wesentlichen Anteil am Klimawandel und bietet gleichzeitig ein großes Potential für Emissionseinsparungen. Seit Jahren weisen Umweltschützer auf die dramatischen Folgen des Waldsterbens und der Entwaldung hin, in letzter Zeit finden ihre Appelle in der Politik vor allem im Zusammenhang mit dem Klimawandel zunehmend Gehör, so betonte etwa der damalige Umweltminister Peter Altmaier auf der Weltklimakonferenz in Warschau 2013: „Durch Waldschutz können wir für den weltweiten Klimaschutz schnell viel bewirken“. 2007 schaffte ein inzwischen als „REDD+“ („Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation“, auf Deutsch: Minderung von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern) bekanntes Konzept den Weg in die internationale Klimaöffentlichkeit und beschäftigt seitdem Diplomaten, Umweltschützer, Umweltökonomen, Politologen und Indigene Völker gleichermaßen. So schnell REDD+ bekannt wurde, so kraftvoll ist auch die darum geführte Debatte. Und so hitzig wird es bisweilen als Klimawunderwaffe in den Himmel gelobt, dann wieder als neoliberales Marktinstrument verkannt.

Während die Klimaverhandlungen bislang tiefe Gräben zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern offenbart haben, scheint REDD+ als vielleicht einziges Lockmittel des reichen Nordens diese Differenzen überwinden zu können: Industriestaaten kaufen sich kosteneffizient bessere Klimabilanzen, die waldreichen Entwicklungsländer erhalten dafür Ausgleichszahlungen und lassen ihre Wälder stehen. So einfach klingt zunächst die verlockende Idee, Wäldern einen ökonomischen Wert und Entwaldung einen Preis zu geben. Emissionen sollen dort eingespart werden, wo dies am kostengünstigsten möglich ist: Entwicklungsländer leisten dort einen Beitrag, wo sie es können und wo es am meisten Sinn ergibt, das ist automatisch der Landnutzungssektor. Gleichzeitig möchte man ihnen das Recht auf Entwicklung nicht nehmen, man setzt also positive Anreize in Form von REDD+-Zahlungen, damit sie zumindest im Landnutzungssektor ihre Emissionen reduzieren. Da Treibhausgase nicht an einen Ort gebunden sind, sondern das Klima weltweit belasten, könnte diese Rechnung zunächst aufgehen.

Aber funktioniert diese Idee in der Praxis tatsächlich? Im April 2014 veröffentlichte das CIFOR einen Bericht, der REDD-Projekte in sechs verschiedenen Ländern analysierte. Untersucht wurde unter anderem besagtes Projekt in Kamerun, das vor allem das Waldmanagement in zwei Gemeinden im Süden und Osten des Landes verbessern soll. Um dies zu erreichen und den Umweltschutz nachhaltig voranzutreiben wurden Gelder als Gegenleistung versprochen. Getragen wird das Projekt vom kamerunischen Zentrum für Umwelt und Entwicklung (CED) zusammen mit internationalen Geldgebern aus Großbritannien und Norwegen. Dabei soll die Initiative nicht nur lokal wirken, sondern auch die Entwicklung einer nationalen Waldschutz-Politik in Kamerun vorantreiben. Die Bewohner beider Dörfer haben sich bereit erklärt, im Gegenzug auf das Abholzen der Wälder zu verzichten. Das ist in Kamerun ein großer Schritt, da der Großteil der Gemeinden seine Einnahmen nach wie vor aus Landwirtschaft, traditionellem Holzhandel und der Herstellung von Palmöl bezieht – alles Sektoren, die maßgeblich zur Entwaldung beitragen.

*Erfolgreiches Pilotprojekt in Kamerun*
2008 wurde die Initiative zum ersten Mal vorgestellt und 2012 wurden die ersten Ausgleichszahlungen geleistet. Bevor es dazu kam wurde jedoch zunächst die Bevölkerung der beiden Dörfer informiert und ihre Zustimmung eingeholt. Um die Ziele und den politischen Rahmen des Projekts verständlich zu machen, verteilte das CED unter anderem Poster, auf denen der Ablauf und das Ziel anschaulich erklärt wurden. Anschließend wurde das zu schützende Waldgebiet festgelegt und ein Referenzlevel definiert, um die Menge an Kohlenstoff zu bestimmen, die ohne die Initiative bei der Entwaldung des Gebietes freigesetzt werden würde. Gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung wurden Pläne ausgearbeitet, die jährlich auf ihre Einhaltung überprüft wurden. Abhängig davon, ob die geforderten Maßnahmen ganz oder nur teilweise umgesetzt wurden, erhielt die Gemeinde dann eine gewisse Geldsumme. Insgesamt wurde das Projekt von der Bevölkerung laut CIFOR gut angenommen, auch wenn einzelne Kritikpunkte bleiben, so etwa die Gefahr, dass Gemeinden, die nicht an dem Projekt teilnehmen, stattdessen größere Flächen abholzen. Der Grund für den Erfolg der Initiative wird darin gesehen, dass die Menschen in den Dörfern von Anfang an Vieles mitbestimmen durften. Auf eine offene Kommunikation mit allen Betroffenen wurde großen Wert gelegt und eine umfassende Beteiligung an Entscheidungen sichergestellt. Dies bewerten NGOs und Experten gleichermaßen als wichtige Voraussetzung für das Funktionieren von REDD+-Programmen. Da konventionelle Landwirtschaft meist sehr ressourcenintensiv ist, müssen vor allem auch Alternativen aufgezeigt werden, wie die Menschen ohne größere Umweltbelastung ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Dafür ist wiederum auch Aufklärung entscheidend, die zur Bildung eines Umweltbewusstseins führt. REDD+-Initiativen sind nur dann erfolgversprechend, wenn sich der Lebensstandard der beteiligten Gemeinden auch tatsächlich verbessert.

Nach Jahren der Diskussion und der weiteren Ausarbeitung des Mechanismus scheinen die Risiken also hinreichend bekannt, einige Lösungsansätze dafür erfolgreich erprobt und REDD+ in der Realität angekommen zu sein. Und bei den stockenden Klimaverhandlungen wird dringend eine Erfolgsgeschichte benötigt - könnte das REDD+ sein? Hermine Kleymann ist die REDD-Expertin des WWF, der den Mechanismus seit Jahren befürwortet. Sie hofft in Paris vor allem auf konkrete Finanzierungszusagen für REDD+-Projekte, um die 2014 in Lima beschlossenen Maßnahmen auch einhalten zu können. Nachdem bereits auf der Klimakonferenz in Warschau 2013 erste Schritte für den Waldschutz erarbeitet wurden, sind nur noch wenige technische Details zu klären. Jahrelang wurde an den Modalitäten des Mechanismus gefeilt, den Entwicklungsländern wurden dabei stets Ausgleichszahlungen als Anreiz versprochen. Inzwischen konnten viele Zweifel an dem Mechanismus beseitigt werden, auch wenn sicherlich einige Forderungen, wie sie etwa der BUND erhebt, immer noch relevant sind. So sollten unbedingt der Schutz der Biodiversität im REDD-Mechanismus verbessert und Mindeststandards eingeführt werden, vor allem aber fehlt es nach wie vor an einer gemeinsamen Definition für „Wald“, die eine Unterscheidung zwischen tatsächlichen Wäldern und Plantagen ermöglicht.

*Wie lässt sich die Finanzierung der Waldschutz-Projekte sichern?*
Das wirklich drängende Problem sind die bisher noch ausstehenden notwendigen Gelder. Dabei besteht das größte Risiko in Bezug auf REDD+ heute darin, dass eine ungenügende Finanzierung das Vertrauen der Entwicklungsländer zerstören und sie hin zu alternativen, klimaschädlichen Einnahmequellen treiben könnte, wie etwa der Palmölherstellung. Dabei geht es tatsächlich um große Summen Geld, was die Geberländer lange unterschätzt haben. Dies stellten 2014 Experten auf einer Konferenz zu REDD+ in London fest, die vom International Institute for Environment and Development veranstaltet worden war. So fordert etwa Brasilien allein für seine REDD-Projekte im Amazonas-Gebiet Gelder in Höhe von circa 2,5 Milliarden Dollar pro Jahr. Die stehen aktuell 10 Milliarden Dollar gegenüber, die bisher für den Green Climate Fund zugesagt wurden, der aber neben REDD noch sehr viele weitere Anpassungs- und Vermeidungsmaßnahmen finanzieren soll.

Kann REDD möglicherweise auch unabhängig von der noch zu klärenden Finanzierung positive Impulse in Paris setzen und – wie in der Vergangenheit – eine Brücke zwischen den Wünschen der Industrienationen und denen der Entwicklungsländer bauen? Hermine Kleymann glaubt nicht, dass REDD+ dies alleine leisten kann. Der Klimaschutzmechanismus sei eher selbst vom schleppenden Verhandlungsprozess „gefangen“, als dass er ihn vorantreiben könnte. Trotzdem bleibt REDD ein gutes Vorzeigebeispiel als Minderungsinstrument, das am weitesten entwickelt ist, unter der Klimarahmenkonvention beschlossen wurde und bereits erste Früchte trägt. Hinter REDD stand von Anfang an auch die Hoffnung, dass sich schließlich die Entwicklungsländer im neuen Klimaabkommen zu Emissions-Reduktionszielen ab 2020 verpflichten würden, es bleibt abzuwarten, ob sich diese Hoffnung Ende des Jahres erfüllt.

Lisas Artikel ist online bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) erschienen.

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Autorin / Autor: Text von Lisa Murken - Stand: Oktober 2015