Die langen Nächte der Stille

Author: Edward van de Vendel
Übersetzt von Rolf Erdorf
Dieses Buch ist jedenfalls extrem. Extrem spannend, extrem witzig, extrem tiefsinnig, extrem nervenaufreibend und manchmal auch extrem langweilig.

Buchcover: Junge

Tycho ist von Norwegen zurück geflogen. Zurück nach Holland und weg von Oliver, seiner großen Liebe. Warum ist mir am Anfang nicht ganz klar, aber das kann daran liegen, dass das Buch ein zweiter Band ist und ich den ersten nicht gelesen habe. Aber ich lese weiter, denn Edward van de Vendel, oder eben die fiktive Person Tycho selbst, erzählt so eindrucksvoll und auf eine ganz eigene Weise vom Leben, Lieben und Freundschaften, dass ich gleich ab der ersten Seite gespannt bin. Und siehe da: Langsam kommt etwas Klarheit in die Sache.

Tycho ist von Oliver zurück nach Holland gegangen, weil Oliver noch nicht bereit dazu war, auch vor seinen Fußballkumpels zu Tycho zu stehen. Richtig zurück geht Tycho aber auch nicht, denn er hat sich in dem Sommer mit Oliver verändert, nicht nur äußerlich durch sein neues Flugzeugtatoo, sondern auch innerlich. Er zieht von Zuhause aus und zieht in das eine Zugfahrt entfernt liegende Rotterdam. Dort schreibt er sich wortwörtlich in eine Akademie ein, denn er will schreiben studieren, sich den ganzen Sommer mit Oliver von der Seele schreiben. Und wenn man von Zuhause auszieht, braucht man auch eine neue Wohnung, die ist schnell gefunden: Tycho zieht in eine WG mit der Musikstudentin Vonda und mit dem später dazu kommenden Moritz, der Tanz studiert. Mit diesen beiden zusammen gelingt es Tycho ein Stück weit unabhängiger zu werden und sich mit Moritz insbesondere die Schwulenszene näher anzusehen.

All das bedeutet Ablenkung vom Feinsten, ist spaßig und interessant, nicht nur für ihn, sondern auch für mich, die das alles ja nur lesend nachvollziehen kann. Alles macht Spaß und ich hätte schon fast selber Lust in das Buch hinein zu kriechen, wären da nicht diese furchtbar langen Nächte, in denen Tycho immer noch an Oliver schreibt, Mails, die niemals abgeschickt werden. Denn Tycho hat Angst, Angst Oliver anzurufen und ein „Nein. Das war’s.“ zu hören und Vonda hat Angst, Angst Tycho zu verlieren und Angst beim Eurovision Song Contest zu versagen, bei dem sie, Tycho und Moritz teilnehmen, ganz besonders sie, denn bei „Vondas’ Voice“ geht es eigentlich nur um Vondas Stimme und das ist Moritz und Oliver ganz recht. Trotzdem bedeutet der Contest ziemlich viel Aufregung um nichts und Tycho muss sich mit einer Fülle von Sorgen quälen, denn wie soll es mit ihm weiter gehen? Soll er bei Vonda bleiben, die weitab vom Scheinwerferlicht auch ihre Schattenseiten hat? Soll er zurück an die Schreibakademie? Zu Oliver? Oder geht doch vielleicht alles auf einmal?

Es ist wie es immer ist: Die Umstände passieren und Tycho muss sich nach ihnen entscheiden. Wie, das weiß ich jetzt, aber verraten wird ich’s nicht, da müsst ihr schon selbst lesen! Das Buch ist jedenfalls ziemlich extrem. Extrem spannend, extrem witzig, extrem tiefsinnig, extrem nervenaufreibend und manchmal auch extrem langweilig. Ich könnte jetzt nicht sagen, ob es ein Buch für nebenbei ist, oder eher ein Buch, dem man seine ganze Aufmerksamkeit schenken sollte. Bei diesem Buch muss wohl jeder selbst mal nach den ersten Seiten entscheiden. Es gab Sachen, die mir sehr vertraut vorkamen und Dinge, die ich nicht verstanden habe und am Ende muss ich wohl zusammenfassend sagen, dass ich eigentlich keine richtige Meinung dazu habe. Sagen wir einfach mal von allem ein bisschen was. Aber eins weiß ich sicher: Edward van de Vendel kann ganz sicher schreiben und dieses Buch ist mal einen Blick wert!

*Erschienen bei Carlsen*

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Autorin / Autor: Jinah - Stand: 16. Juli 2009