Die verlorenen Schuhe

Autorin: Gina Mayer

Es ist im Winter 1944. Das Leben von Inge hat nichts mit dem von Wanda zu tun. Inge Baken ist achtzehn und lebt auf dem Gut ihrer Eltern in Schlesien. Sie ist heimlich mit Wolfgang von Brandt verlobt, der als Leutnant in einer Fliegerstaffel Kriegsdienst leistet. Wolfgang, der ihr immer erzählt, dass sie den Krieg gewinnen werden. Ansonsten hat Inge kaum etwas mit dem Krieg zu tun. Ihre Eltern hören auf darüber zu sprechen, wenn sie da ist.
Wanda ist Fremdarbeiterin auf dem Gut von Inges Eltern. Von den Nazis aus Krakau verschleppt, muss sie hier arbeiten. Sie hat alles verloren, ihre Heimat, ihre Familie. Obwohl ihr Vater doch Deutschprofessor war und seine Töchter zweisprachig aufgewachsen sind. Ein Pole bleibt minderwertig. Wanda zeigt niemandem, dass sie fließend Deutsch spricht. Wenigstens geht es den Fremdarbeitern hier noch besser als anderswo, dank Inges Vater. Aber Inge selbst hat keinen Kontakt zu Wanda und den anderen. Aber dann kommt die Front immer näher und sie müssen fliehen. Inge ist in der Schule in Kreuzburg, als der Räumungsbefehl kommt. Sie fährt zurück zum Gut, das ist aber schon verlassen. Nur Wanda ist da und packt das zusammen, was ihr nützlich sein kann. Die beiden Mädchen können sich nicht ausstehen, dennoch müssen sie zusammen weiter reisen. Aus Wanda wird Waltraud Baken, die Schwester von Inge. Flucht bedeutet nicht einfach fliehen und gut. Flucht bedeutet überleben, mittellos sein. Inge hofft darauf, ihre Mutter wieder zu finden, Wanda weiß, dass sie alles verloren hat.


Hier ist nicht die richtige Stelle, um all das aufzuzählen, was Wanda und Inge erleben, erlebt haben. Ihr könnt es selbst lesen.
Das Buch ist gut recherchiert, am Ende kann man ein Interview mit einem Flüchtling aus Schlesien lesen. „Die verlorenen Schuhe“ ist nicht nur etwas für diejenigen, die sich schon intensiver mit dem Thema Krieg oder Flucht beschäftigt haben, sondern vielleicht auch ein guter Einstieg für diejenigen, die sich das erste Mal an dieses Thema heranwagen wollen. Denn der Leser wird nicht direkt in die Grausamkeiten des zweiten Weltkrieges hineingeschleudert, sondern langsam an das Thema herangeführt. Außerdem befindet sich im Anhang ein Glossar, in dem man unbekannte Wörter nachschlagen kann.
Das einzige, was mich ein bisschen gewundert hat, war die Überschrift. Was die verlorenen Schuhe mit der ganzen Geschichte zu tun haben, das erfährt der Leser erst ab Seite 263, und dabei endet das Buch schon 91 Seiten später. Das ist eigentlich ja auch nicht so schlimm, bei vielen Büchern versteht man die Überschrift erst gegen Ende. Aber die verlorenen Schuhe haben hauptsächlich etwas mit Wandas Geschichte zu tun und ich finde, dass Inge auch einen direkteren Bezug zu der Überschrift haben sollte.
Aber ansonsten kann ich das Buch nur weiterempfehlen.

*Erschienen im Thienemann Verlag*

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Autorin / Autor: islenski.hesteurinn - Stand: 14. Januar 2010