Jasmin Behringer: Ich und die Kanzlerin

Ein Buch von Martin Baltscheit
Gelesen von Anne Helm

Cover: Ich und die Kanzlerin

„Jasmin Behringer – Ich und die Kanzlerin. Oder: Ein Praktikum in Kanzleramt. Gelesen von Anne Helm.“ Sieht gut aus auf dem Cover eines Hörbuches, da kann man fast übersehen, dass die Hülle noch ein dritter Name ziert: Martin Baltscheit, seines Zeichens Autor der Buchvorlage. Denn obwohl die Illusion auf den ersten Blick perfekt ist, „Ich und die Kanzlerin“ ist – leider – nicht wirklich ein Erlebnisbericht, wie die Rückseite noch verkündet, sondern Fiktion. So findet sich schon im Inneren der CD-Hülle die ernüchternde Feststellung: „Liebe Hörerinnen und Hörer, leider kann man im Bundeskanzleramt kein Praktikum machen. Kanzler ist einfach kein gewöhnlicher Beruf und die Männer und Frauen im Amt haben einfach zu viel zu tun. [...]“. Soviel also für all diejenigen unter uns, die das Hörbuch als Vorbereitung für ihr eigenes Praktikum, als Sprungbrett in die große Politik nutzen wollten. ;-)

Witzig, spannend und oft genug überraschend

Aber genug davon, was „Ich und die Kanzlerin“ nicht ist – vor allem ist das Hörbuch eine witzige, spannende und oft genug überraschende Einführung in die Organisation der höchsten Regierungsebene Deutschlands. Wer neugierig ist, wie es im Kanzleramt aussieht, welche Berufe es dort – neben der Kanzlerin – noch gibt und welche Aufgaben all diese Berufsbilder umfassen – der liegt mit dem Kauf des Hörbuches oder auch der Buchvorlage von Martin Baltscheit goldrichtig. Denn, damit tröstet der Autor seine vielleicht etwas enttäuschten Leser im bereits oben zitierten Vorwort, „Jasmin ist erfunden, alles andere ist wahr. Die Reden der Politiker, die Anfragen im Bundestag, die Organisation im Kanzleramt und natürlich das Kanzleramt selbst.“

Plauderstündchen mit der Praktikantin

Trockener Stoff? Von wegen. Vom ersten Kapitel an wird der Hörer hineingezogen in Jasmins Erlebnis, von der ersten Idee, sich den Beruf der Kanzlerin mal etwas genauer anzusehen (davor steht ein beliebiger Abend vor dem Fernseher, der gerade die Nachrichten des Tages sendet, und die Erkenntnis, dass die Kanzlerin doch irgendwie bei jeder Meldung ihre Finger im Spiel hat – bis auf das Wetter vielleicht) über das Praktikum selbst bis zur anschließenden Bestandsaufnahme mit dem wohlmeinenden Onkel, der seiner Nichte schonend beibringen will, dass Politiker auch ein richtiger Knochenjob sein kann, selbst wenn es manchmal nicht so aussieht. Überhaupt hat Jasmin zu allem, was sie sieht, einen Kommentar auf Lager – sei es nun das Frühstück der Kanzlerin oder der rote Teppich für Staatsgäste. Und ab und zu muss der Hörer gewaltig aufpassen, um nicht eine Abzweigung in Jasmins ganz persönliche Phantasiewelt zu verpassen und erst festzustellen, wo er gelandet ist, wenn die neue Praktikantin gleich am ersten Tag wichtige Staatsgäste empfangen darf und ohne jede Verlegenheit mit Scheich Kelim aus Asfatan über seinen schicken Lammfellmantel plaudert. Da kann es dann auch schon mal passieren, dass Billy the Kid seine Auffassung von unserer Staatsform zum Ausdruck bringt (Prädikat: „Nette Geschichte. Aber was hat denn das mit Demokratie zu tun?“) oder sämtliche Altkanzler sich zum Plauderstündchen mit der Praktikantin ein Stelldichein geben. Trotzdem: So abgehoben, dass sie das Übergewicht gegenüber der „realen Politik“ gewinnen, werden diese Phantasien nie. Und manchmal schaffen sie sogar mehr Klarheit, als jeder Originalmitschnitt einer Bundestagssitzung das könnte, etwa, wenn ein antiker Philosoph die Regierung mit der Schule vergleicht, in der es für jedes Fach (politische Aufgaben) einen Lehrer (Minister) gibt.

Variationen über das Deutschlandlied

Abgerundet wird dieser durchaus lehrreiche Leckerbissen für die Ohren durch die „Variationen über das Deutschlandlied“ des Musikers Frank Wulff, der zwischen den Kapiteln E-Gitarre, singende Säge, Melodika und andere ausgefallene Musikinstrumente zu „Wort“ kommen lässt.

Kein Hörbuch, das man nur einmal hören kann

Und zu guter Letzt: „Ich und die Kanzlerin“ ist kein Hörbuch, das man nur einmal hören kann und dann nie wieder. Durch die bereits erwähnten auflockernden Phantasieszenen, sowie die witzigen Selbstgespräche der Protagonistin, die ein wenig an die ARD-Serie „Türkisch für Anfänger“ erinnern, kann die CD immer wieder gehört werden, ohne langweilig zu werden. Damit empfielt sich die Invesition nicht nur für diejenigen Lizzies, die sich ohnehin schon für Politik interessieren, sondern auch für diejenigen, die das Gefühl haben, sie sollten vielleicht etwas mehr darüber wissen, wie unser Staat funktioniert, ohne das rechte Interesse aufbringen zu können. Nur Vorsicht: Ganz kann das Hörbuch den Sozialkundeunterricht dann doch nicht ersetzen. ;-)

*Erschienen bei: HÖRCOMPANY*

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Autorin / Autor: Pfefferminztea - Stand: 6. August 2009