Was wir einander geben können

Einsendung zum Wettbewerb U 20 - Ü 60

Liebe Oma, lieber Opa,

ihr habt meinen Brief also gefunden, nachdem ihr mich zum Flughafen gebracht und euch von mir verabschiedet habt, bevor ich mein Abenteuer beginne. Stellt Euch vor, ihr habt mich bereits ganze achtzehn Jahre auf meinem Weg vom kleinen Mädchen, das sich einmal vorstellte, ein Kätzchen zu sein und Mäuse im Sandkasten gejagt hat, zu der Person, die ich jetzt bin, heranwachsen sehen. Und nun ist es an der Zeit, dass euer Nesthäkchen das Nest verlässt. Diesen Herbst beginnt nun ein neuer Lebensabschnitt für mich. Ich ziehe nun von zu Hause aus und in eine fremde Stadt, wo ich studieren werde – ganz auf mich und meinen Menschenverstand alleingestellt.

Vor meiner Abreise habe ich mir über die letzten Wochen ein paar Gedanken über ein bestimmtes Thema gemacht, die ich an dieser Stelle gerne mit euch teilen möchte. 

Ich beschreite jetzt den Weg der höheren Bildung, um nach meinem Studienabschluss einen Beruf ausüben zu können. Doch meine zukünftige Berufstätigkeit stellt auch eine besondere Verbindung zwischen euch und mir her. In diesem Zusammenhang komme ich zu dem ersten großen Begriff, um den es mir hier geht: dem „Generationenvertrag“. In unserer Familie gehöre ich zur Generation der „Jugend“, und ihr zu der älteren (und daher sehr weisen) Generation der „Großeltern“.

Der weitere Verlauf dieses Briefes bedarf hier einer kurzen Begriffserklärung: Der „Generationenvertrag“, im Prinzip ein Einverständnis zwischen unseren Generationen, besagt, dass meine arbeitstätige Generation einen Betrag zahlt, den ihr als Rente erhaltet, als Belohnung eurer lebenslangen Dienste für unsere Gesellschaft. Es gibt nun einen weiteren Begriff, der hier relevant ist: Es handelt sich hierbei um den „Generationenkonflikt“. Wenn also vom „Generationenkonflikt“ die Rede ist, bedeutet das (wie der Begriff es bereits andeutet), dass es zwischen unseren Generationen Konflikte gibt. Diese sind sie für unsere heutigen Generationen auf eine besonders ausgeprägte Entwicklung zurückzuführen.

Diese Entwicklung ist die sich ständig weiter entwickelnde Technologie, und die Einstellung der beiden Generationen kann zu diesem Punkt unterschiedlicher nicht sein. Während viele von eurer älteren Generation bereits Schwierigkeiten damit besitzen, mit einem Modell der älteren Handys ein Telefonat zu tätigen, geschweige denn wissen, was man sich unter Smartphones, Webcams und GPS vorstellen soll (von Online-Netzwerken wie „facebook“ und „twitter“ darf gar nicht erst die Rede sein), sind diese technischen Innovationen fester Bestandteil des alltäglichen Lebens der Generation der Jugend. Die „Alten“ rümpfen die Nase über nutzlose digitale Innovationen, die „Jungen“ schütteln ihrerseits den Kopf über die altmodische, konservative Lebenseinstellung längst vergangener Zeiten.

Obwohl wir einen Generationenvertrag unterschreiben, könnte die Welt der Generationen nicht verschiedener sein. Wie kann dann ein Vertrag eingehalten werden, wenn die Generationen kein Verständnis füreinander haben oder sich sogar völlig fremd sind?

Lässt sich darauf eine Antwort finden?

Vielleicht lassen sich Konflikte aufgrund dieser unterschiedlichen Welten, dieser Pole oder Extreme einfacher vermeiden, die Kluft einfacher überbrücken, als man denkt.

So haben die „Älteren“ vieles, das sie den „Jüngeren“ mit auf den Weg geben können, um sie  auf den Boden der Tatsachen zu holen. Sie können ihnen zeigen, dass man „altmodische“, persönliche Kommunikation und Momente nicht mit dem Smartphone aufnehmen muss, sondern einfach genießen soll, und dies enge, intime Beziehungen und unvergessliche Erinnerungen erschaffen kann.

Die „Jugend“ könnte den „Älteren“ wiederum beispielsweise beim Umgang mit Handys behilflich sein, damit diese bei einem unvorhergesehenen Unfall mit einem Anruf rasch den Notarzt rufen können. So können die „Älteren“ lernen, wie man verschiedene technische Geräte gezielt einsetzen kann, um verschiedene Wege der digitalen Kommunikation über weite Strecken beispielsweise per E-Mail oder Webcam zu ermöglichen.

Technologie ist für unsere heutige Zeit nicht mehr wegzudenken, und sie kann bei bedachter und  vernünftiger Verwendung unser Leben durchaus bereichern. Und manchmal ist es einfach schön, wenn wir Momente unseres Lebens digitalisieren können – letztlich ist dies nichts anderes als ein Ausdruck unser Menschlichkeit, und wir sehen lediglich der Tatsache ins Gesicht, dass wir alle eines Tage sterben werden. Denn wir wünschen uns nichts weiter, als an dem festzuhalten, was ständig fließt und nicht festgehalten werden kann, und das wir alle, egal, zu welcher Generation wir gehören, besitzen: Zeit.

Die sich der schnell lebenden Welt anpassende jüngere Generation und die der vergangenen Jahrzehnten zugehörige Generation – ihre Unterschiede müssen kein Hindernis darstellen, wenn sie nicht als negative Vorurteile, sondern als Einzigartigkeit gesehen werden.
Generationen müssen einander Zeit schenken, einander kennenlernen und nah bleiben, um zusammenhalten zu können. Dieser Kreislauf wird sich auch für die nachkommenden Generationen wiederholen, wenn die Technologie momentan noch ungeahnte Erfindungen hervorgebracht hat und die Welt noch stärker vernetzt sein wird – und doch wird bei all der Veränderung eines gleich bleiben: Nämlich, dass unsere Zeit begrenzt ist, doch genau das ist es, was sie so kostbar macht. 

Liebe Oma, lieber Opa,
ich hoffe, dass ich Euch mit diesem Brief zeigen konnte, dass Euer kleines Sandkastenkätzchen die ersten Schritte auf dem Weg zu einer reifen Dame getan hat, und ihr sie ruhigen Gewissens in die weite Welt geschickt habt. Obwohl ich bestimmt einen hohen Aufwand für mein Studium werde betreiben müssen, nehme ich mir fest vor, etwas Zeit beiseite zu legen, um sie mit euch teilen zu können. 

Wir werden uns bald wiedersehen,

Eure Enkelin

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