Und was mach ich?

Gudrun Pausewang erzählt in ihrem Buch „Und was mach ich?“ die Geschichte der 13- bzw. 14-jährigen Cornelia Kröger – genannt Nele.

Nele lebt mit ihren Eltern zusammen, die beide erfolgreich einen Friseursalon führen. Neles Brüder Tobias und Sasha wurden durch die Bedrängnis der Eltern, die Salons weiterzuführen schon aus dem Haus getrieben, und jetzt soll Nele als letzte Hoffnung die Nachfolge ihrer Eltern antreten, sobald sie die Schule fertig gemacht hat. Aber Nele weiß gar nicht, ob sie überhaupt Friseuse werden möchte und fühlt sich eingeengt durch ihre Eltern, die ihr zudem jedes Recht auf Selbstbestimmung und Privatsphäre verwehren. Sie sehnt sich nach einem Raum, wo sie ungestört nachdenken kann und ihre Ruhe hat. Doch von all den Problemen, mit denen die Familie zu kämpfen hat gerät nichts an die Öffentlichkeit. Die perfekte Fassade, die trotzdem langsam zu bröckeln beginnt wird aufrechterhalten, um den Kunden heile Welt vorzugaukeln – die Brüder sammeln im Ausland erfolgreich Berufserfahrungen und Nele ist das brave kleine Nesthäkchen, dass den Traum vom Friseusendasein verwirklichen darf. Dabei ist alles ganz anders.

*Eine gehörige Portion Einsamkeit*
Schließlich findet Nele einen Platz ganz für sich allein zum Nachdenken und Träumen. Ihr Traumplatz ist das winzige längst vergessene Penthouse auf einer aufgegebenen Hochhausbaustelle. Dort tummeln sich allerhand interessante Gestalten, die ihr Vater als „Asoziale“ und ihre Mutter als „Bodensatz der Gesellschaft“ betiteln würde. Doch Nele löst sich schnell von dem eingefahrenen Weltbild ihrer Eltern und schließt Freundschaft mit ihnen. Da ist Jupp, der Penner mit rotem Bart und Haaren, der furchtbar nach Knoblauch und anderen Dingen riecht und sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält und zwar gut Gitarre spielen kann, aber so schlecht singt, dass er jedes Mal fortgejagt wird, wenn er damit anfängt. Jupp braucht genau wie Nele ab und zu „eine gehörige Portion Einsamkeit“. Und Minus, der ehemalige Buchhalter, der alles sehr genau nimmt und nach Seife duftet hat sich ebenfalls in dieser Oase niedergelassen. Außerdem fühlt sich auf dem versteckten Grundstück der Pleite gegangenen Baufirma noch das skurrile Pärchen Waldi und Pomponia heimisch. Waldi kann wunderschöne Tiere aus Draht drehen, bekommt aber leider manchmal komische Anfälle und Pomponia ist die beste Drehorgelspielerin und Geschichtenerzählerin der ganzen Stadt. Und dann ist da noch die Prostituierte Gittel mit den falschen Haaren, die in ihrem buntbemalten Wohnwagen, dem Paradies ihrer nicht ganz ehrenwerten Beschäftigung nachgeht und in ihrer Freizeit mit Nele kocht. Gittel wird bald so etwas wie eine Ersatzmutter für das Mädchen. Sie ist es auch, die Nele auf die Idee mit dem Fotografieren bringt. Auch wenn die Beiden auf ihren nächtlichen Fotosafaris nicht nur schöne Dinge zu sehen bekommen, begreift Nele, wie viel man mit Bildern ausdrücken kann.

*Alles nicht so schlimm*
Doch ein merkwürdiger Todesfall unter ungeklärten Umständen bringt die perfekte Fassade der angesehen Friseurfamilie zum Einsturz und auch mit dem idyllischen Leben auf der verlassenen Baustelle ist es vorbei. Aber das alles ist für Nele nicht so schlimm, wie sie es erwartet hätte, denn sie hat ja Gittel, und außerdem weiß sie endlich was sie will, und ihre Eltern beginnen sie zu respektieren.

*Fazit*
„Und was mach ich?“ ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt. Und das über viel mehr als nur ein Thema. Die traurige Wahrheit über die Brüder, die es nicht geschafft haben sich aufzulehnen, die Hintergründe eines Obdachlosenleben, die Abgründe der Gesellschaft – das alles ist Thema dieses Buches. Bewegend sind auch die Stellen, in denen es um den Tod geht, denn der nimmt auch einen nicht zu unterschätzenden Teil des Buches ein. Das Buch gehört nicht zu den Büchern, die ihren Lesern eine Meinung vorgeben, vielmehr ist es ein Buch, was die eigene Meinung fördert ohne sie vorzugeben. Ich bin begeistert von dem Buch und es wird künftig eines meiner (vielen) Lieblingsbücher sein.

Autorin / Autor: filli - Stand: 25. Juli 2006