(Nicht) allein?

Einsendung zum Wettbewerb U 20 - Ü 60

Die Wiese war strahlend grün. Kindergeschrei kam von allen Seiten. Gemächlich, ganz ohne Eile schritt ich über das Gras. Es war ein schöner Tag heute. Der Himmel war blau, keine einzige Wolke war zu sehen und in einer sanften Sommerbrise lag Blumenduft. Am Rand der Wiese rutschte mir meine Tasche von der Schulter und ich lies mich dort nieder. Ich beobachtete eine Weile ein paar lachende Kinder, bis mir jemand auffiel. Eine alte Frau saß im Schatten auf einer Bank. Sie hatte dunkle Knopfaugen, weiße Haare und viele Lachfältchen zierten ihr Gesicht. Doch ihr Blick war müde und einsam. Sie schien unwirklich, fehl am Platz, zwischen all dem glücklichen Lachen. Ich war mir sicher, dass sie viel gelächelt hatte, es zeichnete sich in ihrem Gesicht ab. Doch nun schien es einfach nur noch traurig. Ich hatte Mitleid mit ihr, ich wusste nicht warum, doch irgendwie tat sie mir leid. Plötzlich hatte ich eine Idee und ein zartes, kaum merkliches Lächeln schlich sich auf meine Lippen.   

Mein Blick war leer als ich über die Wiese starrte. Kinder tollten lachend auf dem grünen Gras, doch irgendwie blieb ich unberührt. Sie rannten an mir vorbei, als könnten sie meine Anwesenheit nicht spüren. Aber wer achtete schon auf mich, so unauffällig wie ich war. Es war schon immer so gewesen, doch es schien sich mit dem Alter zu verstärken. Aber seit einer gewissen Zeit empfand ich eine tiefe Einsamkeit, die mit jedem Tag wuchs und mich zu zerreißen drohte. Der einzige Mensch, der mir das Gefühl vermittelt hatte, nicht allein zu sein, war eine Altenpflegerin, die in meinem Altersheim gearbeitet hatte. Sie hieß Mary und hatte eine wärmende Ausstrahlung, die mich immer umfing, wenn ich mit ihr sprach. Jedes Mal wenn sie mich sah, hatte sie mich begrüßt, gelächelt und mich gefragt, wie mein Tag gewesen sei. Aber vor einem Jahr war sie umgezogen und seitdem hatte ich sie nie wieder gesehen. Jetzt war ich allein. Nach diesem Tag, als sie nicht mehr kam, fühlte ich wieder diese nagende Einsamkeit, die bis heute in mir zerrte. Traurig sah ich mich um. Plötzlich hing mein Blick an einem kleinen Mädchen allerhöchstens 12 oder 13 Jahre alt. Sie war trotzdem ziemlich klein. Ihre großen, dunklen Augen musterten mich neugierig und freundlich. Sie hatte etwas in der Hand, das aussah wie ein Heft. Sie hob ihre kleine Hand und strich sich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie blickte mich immer noch neugierig an, ehe ihr Gesicht hinter ihrem Heft verschwand. Als sie wieder aufsah und sich unsere Blicke trafen, erstarrte sie. Auf einmal hatte ich die Angst sie verschreckt zu haben, dass sie aufstehen würde und sich einen anderen Platz suchen könnte. Doch plötzlich hob sie ihre zierlichen Finger und winkte mir. Überrascht starrte ich sie an, doch dann hob auch ich die Hand zum Gruß. Ein breites Lächeln stahl sich auf ihre Lippen und als ich zurücklächelte wurde es noch breiter. Sie verschwand  wieder hinter ihrem Heft, runzelte kurz die Stirn und biss sich dann auf die Lippen. Für einen Moment dachte ich, sie würde etwas ausrechnen, aber dann tat sie etwas, was mich noch mehr überraschte. Sie stand auf, nahm ihre Sachen und ging auf mich zu. Sie setzte sich einfach neben mich und lächelte. Einen Moment beobachtete sie mich nur aus ihren großen Augen. Plötzlich riss sie etwas aus ihrem Heft und drückte es mir in die Hand. Überrascht blickte ich auf das Papier und sah… mich. Meine eigenen Augen schauten zu mir hoch und für eine Sekunde war ich wie erstarrt. Gedankenverloren strich ich über das Bild, über die Haare, die Augen, die Falten, aber beim Mund blieben meine Finger hängen und ich stellte freudig fest, dass ich lächelte. Das kleine Mädchen blickte mich unverwandt an und ich wusste, dass sie die Dankbarkeit in meinen Augen sah. Ehe ich auch nur ein Wort sagen konnte, stand sie auf und mit einem letzten Lächeln verschwand sie von der Wiese. Doch die nagende Einsamkeit kehrte nicht wieder. Ich starrte ihr nach, bis mein Blick wieder auf das Bild sank. Es berührte mich. Es war ohne jeden Zweifel wunderschön gezeichnet, aber allein der Gedanke, dass jemand es für mich gemalt hatte war für mich unvorstellbar wertvoll. Plötzlich fiel mir etwas auf. Etwas Geschriebenes: Bitte verlier dein Lächeln nicht. Ich las den Satz immer und immer wieder. Noch nie hatte mir jemand sowas gesagt. Ich blinzelte eine Träne weg und in plötzlicher Erkenntnis sah ich auf. Dieses kleine junge Mädchen hatte  ohne ein Wort einen Gedanken ausgelöst, der jetzt durch meinen Kopf schoss. Eine einzelne Freudenträne tropfte auf das Papier, als ich den Gedanken erkannte:
Ich war nicht allein.

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U20 - Ü60 - So wollen wir zusammen leben

*Einsendeschluss!* Nun werden die Texte gezählt, gesichtet, sortiert, gestapelt und veröffentlicht. Und während die Jury liest, könnt ihr den Publikumspreis per Voting ermitteln!

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Die Jury

Schöne Preise für die schönsten Einsendungen

Worum geht es im "Wissenschaftsjahr 2013 - Die demografische Chance"?

Die Siegerehrung zum Wettbewerb "U20-Ü60"

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Autorin / Autor: Naomi, 11 Jahre