Asiatisches Facebook-Desinteresse?

US-Forscherin beschreibt Unterschiede zwischen asiatischer und amerikanischer Online-Kultur

Der große Unterschied zwischen der amerikanischen "Ego"-Kultur und der eher kollektiven Mentalität in China ist offenbar auch in der Nutzung von Social-Media-Seiten wiedererkennbar, wie eine neue Studie der Michigan State University ergab. Linda Jackson, Professorin für Psychologie und ihr Forscherkollege von Chinas Southwest University, Jin-Liang Wang, befragten über 400 StudentInnen aus jedem Land, wie sie soziale Netzwerke nutzen. Sie fanden heraus, dass AmerikanerInnen mehr Zeit auf sozialen Netzwerken verbringen, sie wichtiger finden und mehr virtuelle Freunde haben. Ihre Lieblingsseite ist zurzeit Facebook. ChinesInnen zeigen hingegen in der Regel mehr Interesse an Beziehungen in der realen Welt als an Online-Freundschaften und betreiben seltener die Form von "Eigenwerbung", die auf Facebook oder Twitter angesagt ist. Die in China beliebtesten Websites sind zurzeit RenRen und Qzone.

Während es in den USA ständig um positive Selbstdarstellung im Netz ginge und die Menschen alles Negative von sich weisen würden, sei es in China genau andersherum. "Wenn etwas Schlimmes passiert, nehmen sie die Schuld auf sich und reden darüber, wie sie die Situation verbessern können. Geschieht dagegen etwas Gutes, wird der Erfolg der ganzen Gruppe zugeschrieben", schreibt die Psychologin.

Die Studie fand außerdem heraus, dass AmerikanerInnen fast doppelt so viel Zeit in sozialen Netzwerken (fast 52 Minuten pro Tag) wie ChinesInnen verbringen (ca. 28 Minuten pro Tag). Abgesehen davon nutzt fast ein ein Fünftel der chinesischen TeilnehmerInnen fast nie soziale Netzwerke, in den USA sind dies nur 4 Prozent.

Einen Grund für diese Unterschiede sieht Jackson vor allem in der Erziehung. Für chinesische Eltern sei der Aufenthalt in sozialen Netzwerken verschwendete Zeit, da er nichts zum Erfolg beiträgt, sondern im Gegenteil zum Beispiel von Hausaufgaben ablenke. "Deshalb verbieten viele chinesische Eltern ihren Kindern, auf solchen Seiten zu surfen", sagte Jackson. Hinzu kommt, dass in vielen chinesischen Haushalten sowieso nur ein Computer für alle vorhanden sei, der sich in einem gemeinsamen genutzten Raum befindet.

Für Jackson ist die unterschiedliche Nutzung allerdings keine Frage des Zugangs. "Wenn chinesische SchülerInnen wirklich mehr online gehen wollten, könnten sie das auch - ob zu Hause oder in der Schule. Es liegt eher an der Motivation", sagte sie. In China sei es wichtiger, mit der Familie gemeinsam zu Abend zu essen, sich auf Hausaufgaben zu konzentrieren oder den Eltern beim Hausputz zu helfen.

Jackson scheint diese Idee zu gefallen, deshalb kommentiert sie ihre Forschungsergebnisse mit den technikkritischen Worten: "Wir sind doch hauptsächlich soziale Wesen. Ich kann nichts Gutes in der sozialen Isolation erkennen und in Aktivitäten, die Einsamkeit fördern. Und das tut heute eine große Anzahl Technologien." Was die Forscherin anscheinend nicht sehen will, ist, dass die sozialen Wesen durchaus in der Lage sind, ihre positiven Eigenschaften auch in Online-Netzwerken einzusetzen ;-).

Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Computer in Human Behavior veröffentlicht worden.

Autorin / Autor: Redaktion/Pressemitteilung - Stand: 11. Februar 2013