Weniger Alkohol, mehr elterliche Kontrolle
Internationale Studie des Max-Planck Instituts und der Universität Malmö: Die Jugendkriminalität ist deutlich gesunken. Die möglichen Gründe dafür sind aber zweischneidig.
Früher war alles besser? Und die Jugend von heute ist unmöglich? Zumindest scheint sie weniger zu Kriminalität zu neigen als frühere Generationen, wie eine aktuelle Datenauswertung zeigt. Zu diesem Ergebnis kommen die Kriminologen Dietrich Oberwittler (Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht) und Robert Svensson (Universität Malmö), die die bisherige empirische Forschung zum Thema Jugendkriminalität zusammengefasst und ausgewertet haben. Demnach ist die Jugendkriminalität in den Industrienationen in den letzten 20 bis 30 Jahren deutlich zurückgegangen. Die Forschung berücksichtigt sowohl offizielle Kriminalstatistiken als auch Dunkelfeldbefragungen von Jugendlichen. Außerdem benutzten sie die Daten einer seit 2002 laufenden internationalen Schulbefragung zum Gesundheitsverhalten von Jugendlichen in 36 Ländern.
Der Trend ist klar: Seit den 1990er Jahren ist die Jugendkriminalität gesunken. Polizeidaten zeigen das zunächst in den USA, später auch in europäischen Ländern wie Deutschland, der Schweiz, England und Wales. Nach 2015 stabilisiert sich der Trend in vielen untersuchten Ländern. Das betrifft allerdings nicht alle Bereiche gleich stark. So gingen beispielsweise Eigentumsdelikte in vielen Ländern stärker zurück als Gewaltdelikte.
Weil die Kriminalitätsneigung bei Jungen stärker gesunken ist als bei Mädchen, gleichen sich Mädchen und Jungen stärker an. Früher war der Unterschied zwischen Mädchen und Jungen deutlich größer. Die Forscher:innen glauben, dass der sinkende Trend nun aber stagnieren könnte und möglicherweise auch wieder ansteigt. Aber auf das frühere Niveau wird er so schnell aber nicht zurückkommen.
Kurz zusammengefasst, schreiben die Forschenden: "Jugendliche haben Besseres zu tun, als kriminell zu sein."
Unter der strengen Kontrolle der Eltern - per Smartphone
Natürlich haben sich die Forschenden auch mit den Ursachen beschäftigt. Warum sind Jugendliche heute so viel braver? Möglicherweise haben sie einfach weniger Gelegenheiten, kriminelle Taten zu begehen. Als wichtigste Gründe werden in der Studie neben veränderten Lebensbedingungen und einem gesunkenen Alkoholkonsum auch "weniger unkontrollierte Zeit mit Gleichaltrigen" und "engere Kontrolle der Eltern" genannt.
Die Untersuchungen zeigen, dass die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern in den vergangenen Jahrzehnten enger geworden sind. Kinder und Jugendliche unterliegen heute einer stärkeren Aufsicht und Kontrolle durch ihre Eltern als noch vor 20 Jahren. Diese Hypothese wird durch Studien in verschiedenen Ländern wie Island, Neuseeland, den Niederlanden, Schweden, England und Wales gestützt. Dabei verbringen moderne Eltern nicht unbedingt mehr physische Zeit mit ihren Kindern. Kontrolle und Beziehungspflege werden auch durch technologische Mittel – etwa durch regulären Kontakt via Smartphone – erreicht.
Außerdem verbringen Kinder und Jugendliche mehr Zeit in der Schule und haben damit nicht mehr so viel Zeit für "unkontrollierte Zeit mit Gleichaltrigen". Es steht auch der Verdacht im Raum, dass Jugendliche wegen der Auswirkungen der digitalen Medien insgesamt einsamer geworden sind. Für diese These sind die Daten aber nicht aussagekräftig genug.
Die Forschenden betonen, dass ihre Ergebnisse nicht alle Fragen zu dieser Entwicklung beantworten können. Vieles muss noch genauer untersucht werden.
Auch die Frage, ob das jetzt eine rundum positive Nachricht ist, bleibt im Raum stehen. Denn wenn Jugendliche vor allem deshalb nicht mehr zu kriminellen Handlungen neigen, weil sie die ganze Zeit per Smartphone von ihren Eltern überwacht werden oder keine Freund:innen haben, mit denen sie Unsinn machen können, stimmt das auch ein bisschen nachdenklich. Ob aus einsamen und dauerkontrollierten nicht-kriminellen Jugendlichen auch nicht-kriminelle Erwachsene werden, ist ja noch lange nicht gesagt.
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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung