Botswana?

Eine verhexte Generation

Jeder hat eine Portion Glück - oder Unglück...

Wenn man sich einmal mit dieser Situation beschäftigt, drängen sich weitere Fragen auf: Wie geht die botswanische Gesellschaft mit dem Thema Aids um? Wie schafft man sich Erklärungen dafür, dass der Bruder, die Tochter, die Mutter, der Kollege oder der Nachbar "verschwindet"? In einem Buch der Richterin des Nationalen Gerichtshofes in Botswana, Unity Dow, wird die Krankheit als Einfluss einer dunklen Macht beschrieben. Die Autorin beschreibt das so, dass in der Vorstellung vieler Batswana jedem Menschen, jeder Familie eine gewisse Portion Glück oder Unglück zusteht. Hat eine Person von einem "zu viel", gilt sie als "bewitched" (verhext) bzw. steht selber in dem Ruf, zu hexen - und wird gemieden. Wer das vollkommen idiotisch findet, möge sich nur daran erinnern, dass lange Zeit auch in Deutschland diskutiert wurde, ob Aids eine Strafe Gottes sei oder die ("gerechte"!) Strafe für unzüchtigen Lebenswandel. Viele Botswana glauben also, dass jemand "verhext" sein muss, wenn er plötzlich krank wird oder eines unnatürlichen Todes stirbt. Entweder hat der Kranke oder Verstorbene Unrecht begangen und wurde von seinen Ahnen bestraft, oder böse Mitmenschen haben ihm Geister gesandt, die ihn seiner Gesundheit beraubten... Mit einem solchen Problem geht man dann zum "witchdoctor" (Zauberer) oder zum "healer" (Heiler), aber nicht zum "normalen" Schulmediziner!

Das was tötet

Diese Vorstellungswelt ist für die Batswana eine Möglichkeit, die seltsame und tückische Krankheit Aids zu erklären, vielleicht auch eine, mit dessen Hilfe man mit dem Verlust weiterleben kann. Das Problem dieser Erklärungsmuster ist nur leider, dass sie einem nüchternen Umgang mit der Krankheit im Wege stehen können. Aufklärungskampagnen, westliche Schulmedizin und eines der größten Blutlabore der Welt - all das gilt in dieser Gedankenwelt wenig. Aids ist damit als Krankheit, gegen die man sich schützen kann, nicht vorhanden und über sie wird kaum öffentlich gesprochen. Es gibt nur "das was tötet" - das ist die Bezeichnung für "das" in der Landessprache und auch eine Erklärung dafür, warum es einfach nicht gelingen will, Aids zu stoppen. Seit einigen Jahren gibt es Versuche, Schulmedizin und traditionelle Vorstellungen miteinander zu verknüpfen, so dass also healer, witchdoctors und ÄrztInnen häufiger miteinander Hand in Hand arbeiten. Denn schließlich hat man auch hier längst begriffen, dass der Glaube an bestimmte Dinge (ob Handauflegen, Stressvermeidung, ob Placebos oder "echte" Pillen...) heilen kann und es eben nicht nur um die Verabreichung von Medikamenten geht!

Magie und Modernisierung

Der Umgang mit der Krankheit Aids ist ein drastisches Beispiel dafür, welchen massiven Einfluß traditionelle Vorstellungen heute noch haben oder sogar wieder verstärkt haben. Es gibt weitere Beispiele - so ist sogar für StadtbewohnerInnen der wichtigste Besitz wenigstens ein Rind nebst dazugehöriger Cattle Post auf dem Land (Rinderfarm), und auf den Dörfern entscheidet auch heute noch die "Kogtla", die traditionelle Volksversammlung mit einem "Chief", an der Frauen nur teilnehmen, sich aber nicht zu Wort melden dürfen. Das passt alles zu den Klischees, die wir vielleicht von einem "unterentwickelten" afrikanischen Land haben.  Aber Botswana ist nicht unterwickelt. Es hat eine (westliche) Infrastruktur mit Fastfood-Ketten, amerikanischen Modefirmen und südafrikanischen BigBrother-Staffeln. Aber eben eine Infrastruktur, die nicht wie unsere in mehr als 100 Jahren langsam gewachsen ist, sondern eine, die über das Land rasant "hereingebrochen" ist. Und es kann ja gut sein, dass die "alten" Vorstellungen nicht nur negativ und hinderlich sind wie im Falle von Aids, sondern auch einfach helfen können, sich weiter in der Welt zurechtzufinden und ihr ihre "Beseeltheit" zu erhalten. Es geht dabei nicht um "richtig" oder "falsch", sondern darum, ein paar Dinge aus einer anderen Kultur kennenzulernen und vielleicht zu begreifen!

Wie passt das alles zusammen?

Mit dieser Frage und einer ausführlichen Beschreibung hatte ich mich im letzten Jahr bei der Heinz-Kühn-Stiftung für ein Journalisten-Stipendium beworben. Und es hat geklappt :-)! Ich werde also nicht nur das Land bereisen, sondern viele Interviews führen, mich austauschen, "die Augen offenhalten", beobachten und versuchen, so gut das nach 3 Monaten gelingen kann, diese Dinge, die uns EuropäerInnen widersprüchlich und unüberbrückbar erscheinen, zu beschreiben. Tja - und nun ist der Rucksack schon so "quasi" gepackt und die Aufregung groß. Für mich ist es die erste Reise auf den afrikanischen Kontinent und ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie das dann wirklich sein und sich anfühlen wird. Zumindest im Moment hört es sich noch ganz beruhigend an, diese Sache mit Paderborn und Minden ;-)...
Jetzt habe ich ausführlich von meiner "Themenreise" erzählt, aber rein gar nichts von der Kalahari oder dem Okavango-Delta, der wohl wild- und artenreichsten Region des südlichen Afrikas, den Elefanten, Kuhantilopen, Leoparden, Antilopen und anderen kleinerem und wahrscheinlich eher unangenehmen Getier. Fortsetzung folgt Ende November! Euch Lizzys eine schöne Zeit hier - ich werde an euch denken!

Autorin / Autor: ~astrid~ - Stand: 22. August 2003