Wenn die Lehrkraft dich anspricht

Studie untersuchte, wie pädagogische Autorität im Klassenzimmer heute funktioniert

Wer heutzutage als Lehrer:in tätig ist, kann sich nicht mehr wie in früheren Zeiten Gehör verschaffen, in denen noch auf Drohungen, Zwang und alte Gewohnheiten gesetzt wurde. Um die Zustimmung ihrer Schüler:innen zu erhalten, müssen Lehrkräfte ihre Autorität täglich neu aufbauen, je nach Klasse und Lernsituation - und zwar mit neuen Ansätzen! Aber was funktioniert gut, um die nötige, aber freundliche Autorität auszustrahlen? Das wollte ein Team der Universität Genf (UNIGE) und der Pädagogischen Hochschule des Kantons Waadt (HEP Vaud) herausfinden. Mehrere Monate beobachteten sie Lehrkräfte in der Ausbildung im Hinblick auf verschiedene Formen der Unterrichtsautorität und deren Wirksamkeit und erprobten dabei einen innovativen Ansatz.

"Wir brachten in jedem Klassenzimmer eine freistehende Weitwinkelkamera an, um einen Blick auf Lehrkraft und Schüler:innen zu erhalten. Die Lehrer:innen trugen einen Sender um den Hals, der es der Kamera ermöglichte, ihre Bewegungen im Klassenzimmer zu verfolgen", erklärt Valérie Lussi Borer, die diese Studie leitete. Am Ende der Unterrichtsstunden wurden die Lehrer:innen gebeten, die wichtigsten Autoritätssituationen des Tages und ihre Ziele während dieser Situationen zu benennen. Die entsprechenden Episoden wurden dann gemeinsam mit ihnen angeschaut, um die Diskrepanz zwischen ihren Erwartungen und der Realität zu messen.

Indirekte und direkte Kommunikation

"Unter den verschiedenen Methoden der Schüler-Lehrer-Interaktion, die wir identifiziert haben, war die Strategie der 'doppelten Ansprache' am wirksamsten, die ein Drittel der gefilmten Interaktionen ausmachte", erklärt Vanessa Joinel Alvarez, Erstautorin der Studie.
In diesen Situationen könnten die Lehrkräfte direkte und indirekte Kommunikation kombinieren, indem sie eine:n Schüler:in ansprechen, um dem Rest der Gruppe eine Nachricht zu übermitteln, oder die Gruppe ansprechen, um gezielt einem/einer Schüler:in eine Botschaft zu senden. Dabei sind die scheinbaren Adressat:innen nicht die eigentlich gemeinten, denn die Lehrkraft versucht, Informationen indirekt an einen oder mehrere andere Schüler:innen weiterzugeben.

Machtkämpfe vermeiden

Als Beispiel nennt die Forschungsgruppe einen Fall, bei dem der oder die Lehrer:in verhindern will, dass störendes Verhalten auf den Rest der Gruppe übergreift und dazu vordergründig bei einem abgelenkten Schüler interveniert, um der Gruppe indirekt eine Botschaft der Abschreckung zu vermitteln. Weitere Situationen sind die, bei denen sich die Lehrkraft direkt an die ganze Klasse und nur indirekt an einen oder zwei Schüler:innen wendet, um ihnen eine Botschaft zu übermitteln, ohne sie ausdrücklich zu nennen. Das Ziel ist, sie nicht zu stigmatisieren oder zu verhindern, dass soziale Vergleiche zwischen den Schüler:innen verstärkt werden.

"Wir haben festgestellt, dass diese Strategie sehr wirksam ist, um störendes Verhalten zu verhindern. Sie ermöglicht es den Lehrern, die Konfrontation zu begrenzen, die bei Teenagern nicht sehr effektiv ist", erklärt Vanessa Joinel Alvarez. Indem sie die Schüler:innen nicht direkt konfrontierten, würden die Lehrkräfte es vermeiden, in einen Machtkampf verwickelt zu werden, und ermöglichten es dem Schüler außerdem, sein Gesicht vor seinen Mitschüler:innen zu wahren.

Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Teaching and Teacher Education veröffentlicht.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung