kaltherz  - Teil 2

von Moira Frank

Er schwang sich über den flachen Zaun, wischte sich das nasse Haar aus dem Gesicht, die Waffe in seiner Hand schimmerte im Regen. Erneut fielen Schüsse. Der Mann lief unbeirrt weiter, erreichte die Straße und begann zu rennen.

Seine Muskeln schmerzten vom Sprung. Die Spannung in seinen Sehnen grenzte an Schmerz. Eisiger Regen peitschte ihm ins Gesicht. Adrenalin jagte durch seine Adern. Er rannte jetzt auf die Zäune zu. Er war ein Raubtier. Raubtiere fangen war ein tödliches Geschäft. Sie waren immer zu langsam für ihn.

Er versuchte zwischen dem letzten an die umzäunten Schuttwiesen grenzenden Häuserblock und den Wagen hindurch zu entkommen. Aber plötzlich wurde er langsamer, stockte einen Moment unentschlossen. Laure sah warum. Die Polizisten schnitten ihm den Weg ab.
Dred machte kehrt und wechselte die Straßenseite. Im nächsten Moment verlor sie ihn aus den Augen.

Wut kochte in ihm hoch. Er löste die Spannung in seinem Rücken, kam aus dem Sprint, lief langsamer, drehte ab und rannte wieder. Er wusste, dass er in der Falle saß. Ein, zwei Schüsse fielen. Natürlich traf keiner. Lachen fraß sich in seine Brust. Er riss sich zusammen. Die Jeans klebte ihm nass und schwer auf der Haut. Er fletschte die Zähne, duckte sich, fing sich mit einer Hand an der Mauer ab und hatte dabei nur die Straße vor den Augen. Er wusste wohin. Sie würden Geduld haben müssen.

Sie sah Jelen und mehrere Männer von der Spezialeinheit, die Waffen im Anschlag. Es herrschte Stille. Nur der Regen rauschte. Die Spezialeinheit besetzte die schmalen Gassen der Hinterhöfe.
Dred war wie vom Erdboden verschluckt.
Nach einer Weile winkte Jelen Entwarnung. Ihre Blicke trafen sich für einen Moment. Laure atmete tief durch und drückte die Autotür auf. Regen und Kälte schlugen ihr entgegen.
Jelen kam zu ihr hinüber. "Gehen Sie wieder in den Wagen", sagte sie müde, aber ohne großen Nachdruck. Sie sah aus, als habe sie seit Tagen nicht geschlafen. "Er könnte überall sein. Irgendwer hat nicht aufgepasst."
"Ich habe ihn springen sehen", entgegnete Laure noch immer ein wenig geschockt.
"Der Kerl hätte Akrobat statt Serienmörder werden sollen", knurrte Jelen.

Er zog sich über die Mauer. Im Innenhof spannte Wäsche, weiße Laken, die jemand im Regen vergessen hatte. Die Waffe steckte in seinem Gürtel. Polizisten schlugen sich unter den Laken durch, die Waffen im Anschlag. Dred musste unwillkürlich grinsen. Er war auf den schmalen Mauersimsen entlang gelaufen, besser als jede Feuerleiter. Und die enge Gasse zwischen den Häusern hindurch, die zurück auf die Straße führte, war außerdem unbewacht. Er würde direkt in die Wagen laufen, schnell genug. Er lauerte. Spannte seine Muskeln an...

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Autorin / Autor: Moira Frank - Stand: 25. Juni 2010