Mädchensache - Teil 7

von Marianna Glanovitis

„Aber…aber…das kann…das gibt es doch nicht… woher wussten Sie…“, stammelte Sara neben ihr.
Doch, es war nur zu wahr. Lukas betrachtete sie und in seinen Augen funkelten Spott, Überraschung und Unschlüssigkeit.
„Na sieh mal einer an“, sagte er. „Was macht ihr denn hier? Seid ihr nicht mit eurem Freund Thomas unterwegs?“
„Thomas ist nicht mehr unser Freund!“, stieß Sabine wütend hervor. „Er ist ein Dieb! Der hat uns mit einer Pistole bedroht, als wir ihn überrascht haben und dann hat er uns hier gefesselt! Und dann ist er mit unserem Surfbrett abgehauen…“
„So!“, sagte Lukas leise. „Und ich dachte, ihr würdet für ihn arbeiten, Stellplätze ausspionieren und so was. Oft genug habe ich euch mit Thomas an meinem Stellplatz herumlungern sehen!“
„Aber woher wussten Sie denn, dass wir hier sind?“, fragte Sara auf einmal zweifelnd.
„Ich bin Polizist und schon lange versuche ich, diese dreisten Diebstähle auf Campingplätzen aufzuklären. Doch jedes Mal, wenn ich dachte, ich hätte den Dieb endlich in der Falle, entwischte er mir wieder. Auch heute ist es wohl wieder so gelaufen.“„Sie sind ein Polizist?“, entfuhr es Lea. „Ich habe mir Polizisten immer ganz anders vorgestellt!“
Lukas lächelte. So war er ihnen schon gleich viel sympathischer. „Nicht alle Polizisten fahren in Streifenwagen mit Blaulicht herum, haben komische grüne Anzüge an und einen tadellosen Haarschnitt mit perfektem Scheitel, musst du wissen. Das wäre nichts für mich und übrigens hätte ich mich so ja sofort verraten. Ich arbeite im Geheimen. Wenn ich hier im Streifenwagen aufgetaucht wäre, wäre der Dieb ja sofort gewarnt gewesen. Aber ich glaube, nachdem er vorgestern mein Telefonat belauscht hatte, ahnte er schon, dass ich ihm auf der Spur war…“
Die Mädchen sahen sich an. Dann platzte Sabine heraus: „Wenn Sie wirklich von der Polizei sind, wieso binden Sie uns dann nicht los? Oder wollen Sie warten, bis die Flut kommt?“
Lukas grinste plötzlich. Er band sie los.
„Das hat er euch wohl erzählt, was?“, fragte er. „Die Flut hat gerade ihren höchsten Punkt erreicht und ihr steht gerade einmal mit den Füßen im Wasser. Bei Ebbe würde das Wasser euch nicht einmal berühren.“ Sabine sah missmutig zu Boden. Sie war wütend, dass Thomas sie hereingelegt hatte und sie war nicht draufgekommen.
„Blöder Thomas“, schimpfte sie leise.
Lukas lachte.
„Ihr könnt mich übrigens duzen, ich bin erst dreiundzwanzig. Es tut mir leid, dass ich so unfreundlich zu euch war, ich wäre viel freundlicher gewesen, wenn ich gewusst hätte, dass ihr auch den Dieb jagt.“
„Tja, und wir dachten, du wärst der Dieb“, gestand Sara. „Deswegen haben wir dich auch ausspioniert.“
Plötzlich sprang Sabine auf und rief: „Was reden wir hier eigentlich noch? Ich meine, wenn wir den Dieb fassen wollen, dann sollten wir jetzt sofort los, oder wollt ihr warten, bis er in Indien ist?“
Sara lächelte. Ja, so kannte sie ihre Freundin…
So schnell sie konnten, kletterten sie die Eisensprossen hinauf ins Freie. Als sich Lea durch das enge Loch aus der Höhle quetschte, wurde sie fast von dem starken Wind umgedrückt. Der Himmel hatte sich zugezogen, Wolkenberge türmten sich über dem Meer.
„Puh, ist der Wind stark!“, rief Lea. Ihre schulterlangen Locken flatterten und die Wellen schlugen donnernd gegen die Felsen. Über die großen Wellen war es fast unmöglich einen Punkt im Meer auszumachen.
Soweit Lea das beurteilen konnte, war Thomas nicht mehr in Sichtweite.
„Mist!“, schrie Sabine enttäuscht. „Ist er uns doch tatsächlich durch die Lappen gegangen!“
„Tröste dich“, antwortete Lukas. Durch den tosenden Wind war er fast nicht zu hören. „Mir ging es schon öfter genauso. Aber noch ist nicht alles verloren, er kann bei diesem Wetter nicht weit gekommen sein.“
Sara hörte gar nicht zu. Suchend ließ sie die Blicke über das Wasser schweifen… und sah zwei Gestalten, die in einer kleinen Bucht zusammen lagen. Zielstrebig lief sie los, bis sie oberhalb der Bucht stand. Ja, es gab keinen Zweifel.
„He, Sara, was ist denn in dich gefahren?“, rief ihr Sabine zu. Sara deutete, von einem Ohr bis zum anderen grinsend, hinunter in die Bucht. Dort lag ein Motorschlauchboot und daneben auf dem Kies … Dominik mit seiner Freundin. Er schien nur Augen für sie zu haben.
„Tja“, sagte Sabine. „Das bereitet meiner Theorie ein Ende. Er hat wohl doch nicht nur Augen für das Motorb… He, Moment mal!“
Sie hielt inne. Sara hatte gesehen, wie sich eine Gestalt an das Boot herangeschlichen hatte. Es war Thomas. Er zog gerade das Surfbrett an den kleinen Kiesstrand. Als er sich schließlich daranmachte, das Motorschlauchboot ins Wasser zu schieben, ohne dass Dominik oder seine Freundin etwas merkten, platzte Sabine der Kragen.
„He!“, schrie sie den beiden zu. „Seid ihr blind und taub? Da fährt gerade einer mit eurem Motorboot weg… Und ihr? Ihr sitzt da rum und seht gar nichts!“
Endlich sahen die beiden auf… Und merkten gerade noch, wie Thomas den Motor aufheulen ließ und aufs offene Meer hinaus fuhr. Dann kam ein Ruck in Dominik.
Er sprang auf und schrie dem Mann hinterher: „Sind Sie verrückt? Geben Sie uns sofort das Schlauchboot wieder! Sonst zeige ich Sie bei der Polizei an!“
Doch es half nichts.
Thomas, immer noch mit dem Rucksack auf dem Rücken, lachte nur und fuhr davon. Das Schlauchboot kam nur langsam gegen die hohen Wellen an.
„Bleibt hier!“, schärfte Lukas den Mädchen ein. „Ich informiere Küstenwache und Polizei. Rührt euch keinen Millimeter, verstanden?! Ach ja, behaltet Thomas im Auge, damit wir wissen, wohin er gefahren ist.“ Damit spurtete er los.
„Super!“, maulte Sabine. „Und wir dürfen mal wieder warten! Wie immer.“
„Na, was sollen wir auch tun?“, fragte Lea. „Er ist doch mit dem Schlauchboot viel schneller als wir. Außerdem haben wir schon genug getan.“
„Hey!“, schrie Sara plötzlich. „Was macht denn Thomas da?“
„Wieso?“, fragte Lea verständnislos und sah hinaus aufs Meer. Und dann sah sie es auch. Das Boot trieb offensichtlich nur noch im Wasser und Thomas versuchte dauernd, den Motor zu starten.
„Da stimmt doch etwas nicht“, murmelte Sara. „Wisst ihr, was ich glaube?“, rief sie den anderen zu. „Ich glaube, unserem lieben Thomas ist das Benzin ausgegangen!“

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Autorin / Autor: Marianna Glanovitis - Stand: 19. Juli 2010