Kinder und Karriere?

Was tut die Regierung, um das antiquierte Rollenbild unserer Gesellschaft zu verändern? Wie kann man als Mutter in der Politik Karriere machen? - Zum Thema "Agenda 2010 - Balance von Familie und Arbeitswelt" stand Bundesfamilienministerin Renate Schmidt im Chat der REGIERUNGonline-Seite am 18. August eine Stunde lang Rede und Antwort.

*Anne F.* Frau Schmidt, was tut Ihre Regierung um das antiquierte Rollenbild unserer Gesellschaft zu verändern? Als berufstätige Frau wird mir pauschal vorgeworfen, eine Rabenmutter zu sein!

*Renate Schmidt* Ich war auch immer erwerbstätig. Und ich weiß, dass auch heute die Erwerbstätigkeit von Müttern noch von zu vielen nicht akzeptiert wird. Dies ist eine Diskussion von Vorvorgestern, weder diese Mütter dürfen als Rabenmütter bezeichnet werden, noch diejenigen, die über einen Zeitraum ganz zu Hause sein wollen, als depperte Nurhausfrauen beschimpft werden. Was tun wir? Wir versuchen, Mentalitäten zu verändern in der Wirtschaft, in den Gewerkschaften, in der gesamten Gesellschaft. Ich habe deshalb eine Allianz für die Familie gegründet mit allen Beteiligten, und wir werden durch lokale Bündnisse vor Ort versuchen, mehr Familien- und Frauenfreundlichkeit in Wirtschaft und Gesellschaft zu bringen.

*Pilot_Pirx* Beispiel Frankreich: 99 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen sind in der Kindertagesbetreuung. Wann erreicht Deutschland dieses Ziel?

*Renate Schmidt* Wir wollen durch Mittel, die der Bund zur Verfügung stellt - obwohl für die Betreuung und für die Schulen Länder und Kommunen zuständig sind - die Betreuungssituation für die Kinder im Vorschulalter vor allem für die ganz Kleinen qualitativ und quantitativ deutlich verbessern. Immerhin stehen 1,5 Milliarden Euro jährlich für die Kinderbetreuung in den nächsten Jahren im Haushalt und 4 Milliarden Euro für den Ausbau der Ganztagsschulen bereit.

*Armin* Sehr geehrte Frau Ministerin, die Verfahren vor den Familiengerichten haben viele Väter verprellt. Dies spricht sich herum. Die männliche Bevölkerung zieht sich zunehmend von Frauen zurück und scheut es sich auf das Wagnis Familie einzulassen.

*Renate Schmidt* Gesetzliche Regelungen brauchen manchmal lange, bis sie auch Bewusstsein verändern. Das Sorgerecht haben wir reformiert, das beiderseitige Sorgerecht und in meinen Augen auch die Sorgepflicht ist der Regelfall. Leider entscheiden noch zu viele Familiengerichte und zu viele Jugendämter immer noch für ein einseitiges Sorgerecht der Mütter. Ich gehe davon aus, dass sich dies in den nächsten Jahren grundlegend ändert. In meinen Augen braucht ein Kind beide Eltern und verkraftet dann, wenn dies gut geregelt ist, auch die Trennung der Eltern gut.

*kanu* Stichwort: Mehr Zeit für Familien. Was halten Sie persönlich vom 6-Stundentag?

*Renate Schmidt* Sie haben Recht! Heute ist für Familien natürlich Geld nach wie vor wichtig. Aber beinahe noch wichtiger ist Zeit. Ich halte nichts von starren Arbeitszeitregelungen, vor allen Dingen wäre es für die Firmen nicht akzeptabel, wenn alle 6 Stunden am Vormittag arbeiten wollten. Die Investitionen für einen Arbeitsplatz, die heute sehr hoch sind, würden sich dann nicht mehr lohnen. Aber ich halte sehr viel von flexibler Arbeitszeitgestaltung, die die Interessen von Eltern und Kindern berücksichtigen. Genau dieses möchte sich "meine" Allianz für die Familie auch als ein wichtiges Problem vornehmen.

Hier geht's weiter

Autorin / Autor: REGIERUNGonline/Redaktion - Stand: 25. August 2003