Kinder und Karriere? - Teil 2

Chat mit der Bundesfamilienministerin auf REGIERUNGonline

*Pilot_Pirx*: Wie haben Sie selbst mit zwei Kindern Ihre politische Karriere erlebt? Bleibt einer Bundespolitikerin überhaupt Zeit für Familie? Sind Mütter in der Politik nicht generell benachteiligt gegenüber Kinderlosen oder Männern mit weiblicher Unterstützung im Rücken?

*Renate Schmidt*: Ich habe nicht zwei Kinder, sondern drei. Sie sind aber schon sehr erwachsen und waren auch schon älter, nämlich 19, 17 und 10 Jahre alt, als ich mit der Politik vor 23 Jahren begonnen habe. Ich habe das alles nur machen können, einschließlich der Karriere in meinem vorigen Beruf in der Datenverarbeitung, weil ich eine Familie hatte, die mitgeholfen hat. Angefangen von der noch rüstigen Urgroßmutter über Mutter und Schwiegermutter (auch beide erwerbstätig) bis hin zu meiner Schwester und vor allem, leider bereits verstorbenen Mann, der nach der Geburt des dritten Kindes Hausmann wurde. Außerdem hatte ich das Glück, in einem Betrieb zu arbeiten, der einen Ganztagskindergarten hatte. Soviel Glück haben nicht viele. Vielfach gibt es die Großfamilie nicht mehr am selben Ort, und deshalb brauchen wir mehr und bessere Kinderbetreuungseinrichtungen, Ganztagsschulen und familienfreundliche Arbeitszeiten.

*Anne F.*: Mehr Spielraum für Väter: Dank der Regierung gibt es jetzt mehr Möglichkeiten für Männer, sich im Erziehungsurlaub zu engagieren. Doch was hilft's, wenn viele Männer dies nicht wollen? Wie kann man die Rollenvorstellungen für berufstätige Väter nachhaltig ändern?

*Renate Schmidt*: Nicht für alles ist die Politik zuständig. Mein Mann ist auch nicht als Hausmann geboren worden, sondern dies hat intensiver und teilweise heftiger Diskussionen bedurft, bis die Einsicht vorhanden war, dass für die Familie nicht nur die Mutter zuständig ist. Allerdings können solche Einsichten auch öffentlich befördert werden. Deshalb plädiere ich, ergänzend zu dem, was in der Familie geschieht, für einen Unterricht, der sich mit Partnerschaft und Familie und Erziehung von Kindern befasst. Und der damit auch die Kompetenzen der künftigen Väter deutlich erhöht.

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*indira*: Deutschland liegt bei den Geburtenraten mit auf den letzten Plätzen, die Erbwerbsrate der Frauen ist im Gegensatz zu anderen Ländern sehr gering. Vor allem die skandinavischen Länder sind uns da weit voraus. Auch in Deutschland muss endlich was passieren. Können wir uns von den Vorreitern nicht ein wenig "abgucken"? Gibt es internationalen Austausch zu diesem Thema oder Projekte?

*Renate Schmidt*: Ich gucke ab! Und es ist schlicht und einfach die bessere Betreuungssituation, familienfreundlichere Unternehmen und sogar Väter, die ein bisschen mehr Familienarbeit übernehmen - schon steigt die Geburtenrate und gleichzeitig die Erwerbsbeteiligung von Frauen.

*Sven Svenson*: Sehr geehrte Frau Schmidt. Scheidungen werden immer einfacher. Alleinerziehende müssen auch nicht mehr hungern. Vieles wird für Geschiedene einfacher. Wird dadurch nicht aber ein enormer Werteverfall begünstigt?

*Renate Schmidt*: Für mich sind grundlegende Werte für unsere Gesellschaft unabdingbar. Und gerade deshalb plädiere ich ergänzend zur Familie für einen Unterricht, der über die Werte, die in der Familie vermittelt werden sollen, der über Partnerschaft und Erziehung von Kindern grundsätzliche Kompetenzen, aber auch Wertvorstellungen vermittelt. Weil leider dies in den Familien nicht immer in ausreichender Form geschieht.

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Autorin / Autor: REGIERUNGonline/Redaktion - Stand: 25. August 2003