Sammelwahn - Teil 2

Sammeln schafft Sinn - aber manchmal auch Probleme...

*Warum wir sammeln*

Sammeln liegt natürlich irgendwie in der Natur des Menschen. Unsere Vorfahren mussten Beeren und Wurzeln sammeln, mussten sie horten, um im Winter etwas zu essen zu haben. Man sammelte Kräuter und machte Medizin daraus. Als der Ackerbau einsetzte, musste die Ernte eingesammelt werden, man sammelte Brennholz, um nicht zu frieren, man sammelte Felle, Waffen, Reichtum. Sammeln ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Zivilisationsgeschichte. Heute müssen wir in der Regel weder Beeren noch Brennholz sammeln, um zu überleben. Aber das Bedürfnis zu sammeln ist offenbar nicht klein zu kriegen. Vielleicht braucht man einfach manchmal das Gefühl, einen Mangel zu haben (ein Bildchen, das einem noch fehlt), um dann das triumphale Gefühl genießen zu können, wenn man den Mangel beheben kann (das Bildchen endlich irgendwo findet).

*Sammeln schafft Sinn*
Sammlungen geben dem Leben einen Sinn, stellen eine eigene Welt dar, in der der/die SammlerIn HerrscherIn ist. Der/die SammlerIn entscheidet über Gedeih und Verderb, über Rang und Ordnung der Objekte. Man fühlt sich wichtig und sei es nur in der eigenen kleinen Sammelwelt. Vielleicht ist man auch die einzige Person auf der Welt, die eine Plastikblumensammlung ihr eigen nennen kann und ist damit auf diesem Gebiet Weltspitze, eine Koryphäe, eine Expertin. Man kann Erfolgserlebnisse haben, die einem der triste Alltag sonst vewehrt und erhält Bestätigung durch die Größe und Vollständigkeit der Sammlung. Man mag darüber lachen, aber es kann einem Menschen Selbstbewusstsein und eine tiefe Befriedigung geben, sich zumindest auf einem Gebiet besonders gut auszukennen - auch wenn es keinen anderen Menschen auf der Welt interessiert. Schöner ist es natürlich, wenn man Gleichgesinnte kennt und mit ihnen Insiderwissen austauschen, fachsimpeln oder über sich über die größten Erfolge bei der Sammeljagd austauschen kann. Sammeln sorgt also noch dazu für Kontakte: man kann tauschen und sich Tipps geben, wo sich lang ersehnte Sammelobjekte auffinden lassen. Man hat immer ein Thema und immer eine Beschäftigung. So kann man z.B. die geliebten Sammelobjekte reinigen, ihnen eine neue Ordnung geben, sie umsortieren, zählen, katalogisieren oder einfach nur liebevoll betrachten.

*Wer braucht eine Spuckbeutelsammlung?*
Mit Vernunft hat Sammeln freilich in den seltensten Fällen etwas zu tun. Niemand braucht 50 Paar Schuhe, niemand ist auf 100 Parfümfläschchen oder 200 Autogrammkarten angewiesen. Auch das Sammeln von Teebeutelanhängern, Taschentuchpackungen (!) oder Spucktüten kann logisch nicht begründet werden. Zuckerstückchen aus Cafés, die nie gegessen werden oder Streichholzschachteln, die man nicht abfackeln darf, sind zwar unnütz, kosten aber in der Regel nichts. Und scheinbar macht es Spaß, sie zu besitzen. Wer aber für eine Ü-Ei-Figur oder eine leere Telefonkarte bereit ist, Hunderte von Euro zu bezahlen, der ist wahrlich gefährdet. Für viele wird die Sammelleidenschaft dann tatsächlich zu einer Leid schaffenden Sucht.

*Einfach mal loslassen*
Es gibt also auch eine Kehrseite. Denn sammeln bedeutet auch manchmal, nicht loslassen zu können, zu klammern und ewig auf alten Dingen sitzenzubleiben. Und diese Unfähigkeit kann sich auch auf andere Gebiete ausweiten. Manchmal ist es also auch gut und sehr heilsam, den ganzen Schrott einfach zum Müll zu geben, aufzuräumen, auszumisten - denn das räumt auch in der Seele auf. Weg mit den ganzen Erinnerungsstücken, weg mit Fläschchen, Döschen, Telefonkarten, weg mit den riesigen Bidlersammlungen im Internet, weg mit Autogrammen, Starschnitten und Fanartikeln, weg mit der Radiergummisammlung und Plaketten, weg mit den 100 leeren Zigarettenschachteln und noch mal ganz von vorne anfangen. Vielleicht mit dem Sammeln von Alufolie oder Weinkorken, denn sowas kann man bei Sammelstellen gegen das gute Gefühl eintauschen, einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz geleistet haben, und das ist doch was, oder?

Lies mehr dazu

Autorin / Autor: ~sabine~ - Stand: 12. März 2004