Eine Geschichte die das Leben schrieb

Wettbewerbsbeitrag von Agnescis, 21 Jahre

Wir leben in turbulenten Zeiten… Ständig werden wir mit neuen Informationen zugeschüttet und nicht selten sind diese negativ… Egal ob im privaten Bereich oder in unserer Welt da draußen…
Doch manchmal kann ein schwerer Schicksalsschlag großes Glück bedeuten und einen auf das kommende, dass keiner vermuten mag, vorbereiten… So war es jedenfalls bei mir…

Es war ein schöner Frühlingstag Ende Mai und mir stand eine Knie Operation bevor. Ich war, Tatsache, euphorisch gestimmt, da ich fest entschlossen war, mit dieser Operation würde ein neues Kapitel anfangen. Doch es kommt oftmals anders als man hofft. Ich sollte auch ein neues Kapitel aufschlagen, doch nicht so wie ich es mir gedacht hatte…
Als ich nach dieser verheißungsvollen Operation aufwachte, wusste ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Es war eine ambulante Operation und alles ging recht schnell, ich war noch gar nicht ganz von der Narkose wieder da und schon musste ich mich auf die Rückbank eines kleinen Opels zwängen, auf dem Weg nach Hause. Plötzlich hörte ich eine kleine Stimme in mir, die mir sagte, dass etwas nicht stimmte, doch ich schob den Gedanken bei Seite und vertraute auf das Wissen und das Können meines Arztes.

Daheim angekommen, hatte ich Besuch von meinem Partner und meinem besten Freund. Ich war noch ganz schon im Delirium und erinnere mich hauptsächlich daran, dass es mir fast unmöglich war, die neun Stufen meiner schmalen Wendeltreppe hinauf zu meinem Zimmer zu kommen und das ganze mit einem gänzlich steifen Bein.
Der Tag verstrich und ich ging ins Bett, und schon da gab es Probleme. Ich hatte so unglaubliche Schmerzen, dass es mir weder möglich war zu schlafen, noch alleine aufzustehen oder aufs Klo zu gehen, denn das zusätzliche Gewicht der Schiene belastete mein Knie zusätzlich. Es folgten Tage voller Schmerz und Einsamkeit resultierend aus Unfähigkeit. Bei der ersten Nachsorge Untersuchung der Operation, sagte ich dem Arzt, dass ich unglaubliche Schmerzen habe und irgendetwas nicht stimme. Der Arzt versicherte mir, dass alles gut sei und es einfach mein Schmerzempfinden sei, ich solle mich etwas zusammenreißen und das nahm ich mir zu Herzen.

Ein paar Tage später begann die Physiotherapie, allerdings mit einem Rezept auf Hausbesuch, da ich nicht in der Lage war, dieses eigenständig zu verlassen. Ich übte und übte, verbissen und auch die Physiotherapeuten meinten, ich sei zu sensibel, zu empfindlich und müsse meine Angst überwinden, um in die Beugung des Gelenkes zu gehen. Ich tat was ich konnte, doch mein Kniegelenk blockierte, nicht aus Angst, sondern rein physisch. Doch dies ist schwer zu beweisen und man schenkte mir keinen Glauben, sagte mir, ich würde es nicht genug wollen, es nicht ausreichend versuchen. Ich tat, was ich konnte und übte Tag und Nacht, doch nichts änderte sich, im Gegenteil, der Zustand meines Beines verschlechterte sich drastisch und auch Wochen nach der Operation konnte ich nur mit Hilfe aufstehen oder auf die Toilette gehen und laufen konnte ich nur dank meiner Krücken und meines gesunden Beins, auf diesen dreien kämpfte ich mich durchs Leben.

Doch eines Tages kamen meine Eltern und meinten zu mir, ich müsse mich zusammenreißen und das Bein einfach beugen und laufen, ich solle die Angst loslassen, ansonsten würde man mich ins Krankenhaus unserer Stadt einweisen, da die Belastung für meine Eltern einfach zu viel war. Drei Tage wurde mir Zeit gegeben, um mich also zusammenzureißen. Ich drehte durch, heulte mich bei meinem Freund und meinem besten Freund aus, die beiden glaubten mir und verstanden mein Dilemma, ich war nicht empfindlich, da war einfach etwas falsch und mir waren die Hände gebunden, denn was soll man denn tun, wenn das Bein physisch einfach resigniert. Ich entschied mich in dieser Nacht gegen mitternächtliche Übungseinheiten und entschloss mich nach meinen Symptomen zu recherchieren, Dr. Google ist gefährlich, dass wissen wir alle, aber was blieb mir noch. Nach etwa sechs Stunden der verzweifelten Suche wurde ich fündig. Ich fand eine Krankheit, die zu 100% auf meine Symptome passte und ich wusste es sofort, tief drinnen in meinem Herzen wusste ich, dass dies meine Erkrankung ist und dies die Ursache des Übels ist, welches mich seit drei Monaten plagte wie ein Dämon aus der Hölle. Die Schmerzen waren unerträglich, Wasser, ein Windhauch, Stoff, Berührungen, ja meine Bettwäsche und meine Hosen verursachten mir Schmerzen, tief brennend wie Feuer. Als hätte man mir Brennpaste aufs Bein geschmiert und somit ein unstillbares und unlöschbares Feuer entfacht, welches mich bis auf die Knochen verbrennen möchte, zusätzlich herrschte ein Druck in meinem Knie, dass ich dachte, jemand versucht mein Gelenk wie einen Steinbruch zu sprengen, und es gab nichts, was diese Schmerzen stillte. Die Ungewissheit und Angst, es könnte doch an mir liegen, verbesserten die Lage nicht gerade.

Doch da war der Lichtblick, und kein Arzt, Freund oder Familie hätte ihn jemals finden können. Am nächsten Morgen teilte ich meinen Eltern mit, dass dies meine Krankheit sei und rief den Arzt an, um mich auf diese hin untersuchen zu lassen. Nicht mal eine Woche später bekam ich die Diagnose, Arthrofibrose, dies erklärte das sogenannte Schraubstockgefühl und die Bewegungseinschränkung. Mein Kniegelenk wurde mit Gewebe zugewuchert, es ist also langsam zugewachsen und hatte sich so zu einem unbeweglichen, vernarbten und steifen Stück Körper entwickelt, für mich war es nicht mehr als mein Körperteil identifizierbar, was zum Teil auch ein Teil der Erkrankung ist. Ich hatte also recht und all die Strapazen waren eigentlich umsonst, denn ich kannte meinen Körper eben doch besser und verstand ihn besser als jeder Arzt oder sonst wer, denn es ist mein Körper und nur ich weiß, was und wie ich es fühle, und nie wieder werde ich meinen eigenen Instinkt oder mein Wissen über mich und meinen Körper von irgendjemanden in Frage stellen oder anzweifeln lassen! Denn wir kennen uns immer noch am besten, tief in uns drinnen, wir müssen uns selbst nur Vertrauen und Glauben schenken lernen.

Mir stand ein langer Heilungsweg bevor, der auch jetzt, vier Jahre später, immer noch nicht zu Ende ist und es auch niemals sein wird, da diese Erkrankung jetzt ein Teil von mir ist. Ich suchte anschließend einen Facharzt auf, dieser bestätigte die Arthrofibrose und versicherte mir, dass es wichtig war, selbst so schnell und bewusst zu handeln, denn bei dieser Krankheit ist es so, desto früher man es entdeckt und es richtig behandelt, desto kürzer ist der Heilungsweg. 

Zusätzlich erklärte er mir, die Schmerzen, die wie Feuer brannten, waren durch einen sogenannten Morbus Sudeck verschuldet. Durch viele brutale Versuche von Physiotherapeuten und Ärzten, mein Gelenk zu bewegen, die letztlich nur das vernarbte Gewebe beschädigten und es erneut stärker wuchern ließen, verlängerte sich mein Heilungsweg etwas und mein Leben sollte sich im Alter von 17 Jahren komplett wenden. Ich schlug also ein neues Kapitel auf, ich wurde erwachsen und zwar schneller als je vermutet, weil ich es musste und ich lernte auf meine Stimme zu hören und auf mich selbst zu vertrauen. Diese Gaben begleiten mich seither auf meinem Weg der Heilung, und ich wäre nicht zu der Person geworden, die ich heute bin und die ich sehr zu lieben gelernt habe, ob in Krankheit oder Gesundheit, und trotz nicht endendem Heilungsweg bin ich heute genau da wo ich sein sollte.
Geschichten wie diese, schreibt nur das Leben.

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Am 27. November 2022 fand die Lesung zum Schreibwettbewerb VERWANDELBAR statt, bei der fünf der Gewinner:innen ihre wunderbaren Texte präsentierten. Moderiert wurde die Lesung durch den Autor Manfred Theisen, der auch Mitglied der Jury war.