Meine Tante aus dem Iran

Wettbewerbsbeitrag von Felicity Areyan, 13 Jahre

"Freiheit ist wie die Luft zum Atmen, erst wenn sie weg ist, merken wir, dass wir sie brauchen"
"Bis heute Abend, Anne", rief ich meiner Mutter zu. Meine Mutter blickte zu mir und schaute mich prüfend an. Dann sagte sie: "Meinst du nicht, du bist zu freizügig angezogen? Denn dein Kopftuch ist viel zu locker und zu weit unten!" Ich lächelte  sie an und sagte: "Ach was, so laufen doch alle Iranerinnen heutzutage rum , sogar Tante Tiam sagt, dass wir uns das nicht mehr gefallen lassen sollen!" Meine Mutter gab nach und sagte, dass ich auf mich aufpassen soll. Ich ging also zur Bushaltestelle und fuhr mit dem Bus ins Einkaufszentrum. Dort traf ich meine beste Freundin. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen, doch plötzlich kamen zwei Männer in Uniform von der Sittenpolizei auf uns zu. Ich wusste, dass wir in Schwierigkeiten kämen, wenn sie uns erwischten, doch wir beide wussten, was zu tun war, wir nahmen uns an den Händen und liefen so schnell wir konnten davon. Zum Glück konnten wir sie abhängen. Das Leben im Iran ist gerade sehr hart! Unsere Wirtschaft bricht gerade zusammen und es wird alles teurer, und die Frauen und Mädchen haben immer weniger Rechte. So müssen Frauen und Mädchen einen langen Mantel und ein Kopftuch tragen und dürfen nicht alleine reisen. Fast alles ist uns verboten. Als ich endlich nach Hause kam, erzählte ich alles meiner Mutter und meiner Tante. Beide waren sehr schockiert. Einige Wochen später kamen einige Frauen zu uns nach Hause, sie saßen im Wohnzimmer und schlossen die Tür zum Wohnzimmer. Ich wurde neugierig, denn Anne wollte mir nicht sagen, was dort vorging. Also schlich ich zur Tür und legte mein Ohr an die Tür. Was ich dort hörte, ließ mich den Atem anhalten und ich bekam eine starke Gänsehaut. Doch plötzlich öffnete meine Tante die Tür und ich fiel auf den Boden. Meine Tante musste es wohl gewusst haben, sie kannte mich viel zu gut. Sie lächelte mich an und sagte mir, ich solle reinkommen. Alle diese Frauen kamen aus unserer Nachbarschaft, und alle waren gegen diese Politik. Meine Tante stellte sich in die Mitte und fing an zu reden: "Meine lieben Frauen, wir alle leben gerade in einem Land, in dem wir wie der letzte Dreck behandelt werden, wir dürfen kaum noch alleine auf die Straße, müssen bei dieser Hitze lange Mäntel tragen und ein Kopftuch, unter dem wir schwitzen. Und wenn wir es nicht tun, drohen uns heftige Strafen!"  Alle im Raum nickten ihr zustimmend zu. Danach führte  sie fort: "Aber ab heute werden wir uns das nicht mehr gefallen lassen! Man soll von jetzt an sagen, er kämpfte wie eine Frau. Wie eine iranische Frau!" Alle applaudieren. Zum Zeichen des Protestes schnitten wir uns alle die Haare ab. Es war ein tolles Gefühl, ein Gefühl voller Tatendrang und das Gefühl, für etwas Gutes zu kämpfen!  Meine Mutter war, als sie davon erfuhr, sehr sauer auf meine Tante, weil sie es für viel zu gefährlich hielt! Doch meine Tante sagte: "Schwester, jeder kann in seinem Leben entscheiden, was er tut, WAS GUTES, WAS SCHLECHTES ODER GAR NICHTS" Sie meinte auch, sie hänge an ihrem Leben und sie wolle damit Gutes tun! Einige Monate später ging sie mit mir zu einer großen Demonstration. Wir demonstrieren für unsere Freiheit und für unsere Rechte. Doch plötzlich stürmten viele Männer von der Sittenpolizei in die Menge und nahmen viele Frauen fest. Auch meine Tante. Sie küsste mich auf die Stirn und sagte: "Hör nie damit auf, für dich und andere einzustehen, wir sind iranische Frau und wir lassen uns nicht unterkriegen, wir kämpfen so lange, bis wir in Freiheit leben!" Danach habe ich sie nie wieder gesehen. Aber ich werde weiter kämpfen, das ist sicher!

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Am 27. November 2022 fand die Lesung zum Schreibwettbewerb VERWANDELBAR statt, bei der fünf der Gewinner:innen ihre wunderbaren Texte präsentierten. Moderiert wurde die Lesung durch den Autor Manfred Theisen, der auch Mitglied der Jury war.

Autorin / Autor: Felicity Areyan, 13 Jahre