Wie du mailst, zeigt wie du bist

Psycholog_innen fanden heraus, dass die Art und Weise, wie wir über E-Mail und soziale Medien kommunizieren, viel über unsere Persönlichkeit verrät

Wie beginnt ihr eine Mail? Mit "Sehr geehrte..."; "Liebe..." oder einfach nur "Hallo"? Und würdet ihr Satzbau oder Rechtschreibung eurer Mailpartner_in verbessern? Laut einer Studie von Forscher_innen der University of Bath kann man offensichtlich am Stil einer Mail erkennen, welche Charaktereigenschaften und Persönlichkeiten dahinter stecken - zumindest, ob es sich um eher autistische oder nicht autische Menschen handelt.

In ihrer Studie verglichen sie nämlich elektronische Kommunikationsstile zwischen diesen beiden Gruppen und fanden deutliche Unterschiede.
In den E-Mails, die von Autist_innen verfasst waren, fanden sie zum Beispiel weniger soziale Nettigkeiten und weniger Einleitungen wie z.B. "Ich hoffe, es geht Ihnen gut", dafür aber eine stärkere und höflichere Beachtung der formalen Anrede (z.B. "Sehr geehrter Herr Dr..."). Außerdem fiel ihnen bei der Gruppe eine stärkere Detailgenauigkeit auf, die sich oft darin zeigte, dass die Teilnehmer_innen grammatikalische Fehler oder defekte Hyperlinks bei ihren Mailpartner_innen korrigierten. Das gleiche Verhalten legten sie aber auch bei sich selbst an den Tag: so korrigierten sie sich selbst, z.B. wenn sie Rechtschreibfehler in ihren früheren E-Mails fanden. Nichtautist_innen schienen diese Korrekturen dagegen seltener vorzunehmen. Die Forscher_innen vermuten, aus Angst davor, unhöflich oder dumm zu erscheinen.
Auffällig war auch, dass Autist_innen auf präzise, wenn auch sozial unkonventionelle Weise kommunizierten (z.B. indem sie ihre Ankunftszeit für ein Treffen genau auf 14:08 Uhr festlegten oder einen Treffpunkt mit Kartenkoordinaten beschrieben). Solche Genauigkeiten traten in Mails nicht-autistischer Menschen laut den Wissenschaftler_innen so gut wie nie auf.

*Erkenntnisse hilfreich für die Kommunikationsregeln aller*
Die Analyse, so die Forscher_innen, sei aber nicht nur im Hinblick auf Autist_innen wichtig, sondern hilfreich für alle, denn sie helfe uns darüber nachzudenken, wie wir unseren eigenen Stil besser anpassen und anderen gegenüber respektvoller sein könnten. Der "autistische" E-Mail-Stil sei auch auf keinen Fall eine Schwäche, sondern wir alle könnten davon profitieren, wenn wir einen direkteren, effizienteren und präziseren autismusähnlichen Stil in unseren E-Mails anwenden würden.
"Es gibt keine richtige oder falsche Art zu mailen, aber es gibt definitiv verschiedene E-Mail-Stile, und das kann eine ganze Reihe von Merkmalen aufdecken. In unserer Arbeit haben wir uns nur mit den Unterschieden zwischen nicht-autistischen und autistischen Menschen befasst, aber dieses Thema hat eine viel breitere Relevanz. In einer Welt, in der wir zunehmend auf E-Mail-Kommunikation angewiesen sind, kommt es wirklich darauf an, wie wir online kommunizieren", erklärt Dr. Punit Shah von der Abteilung für Psychologie in Bath.

*Nicht gleich urteilen*
Manche Menschen verschickten E-Mails in Sekundenschnelle, ohne sich um höfliche Einstiegsworte, Formalitäten oder Rechtschreibung zu kümmern. Aber wir sollten uns nicht so sehr am Stil aufhängen, sondern uns mehr auf die Zweckmäßigkeit konzentrieren, so der Forscher. Er plädiert auch dafür, den Menschen "im Zweifelsfall eine Chance zu geben", wenn sie unhöflich erscheinen. Denn wir wüssten ja nicht, warum sie auf diese Weise kommunizieren. Möglicherweise steckten ja Autismus oder andere Faktoren wie z.B. Kinderbetreuung im Home-Office dahinter, warum eine Mail nicht so klingt, wie wir es gerne hätten.

*E-Mail-Fauxpas*
Andererseits könne es für einige Menschen mit Autismus und viele andere in der Gesellschaft überhaupt eine Herausforderung sein, E-Mails an Freunde und Kollegen zu schreiben oder etwas in sozialen Medien zu posten. "Für einige Menschen kann dies eine Blockade schaffen, in der sie aus Angst vor einem 'E-Mail-Fauxpas' online nicht mehr reagieren." Dies könne problematisch sein und möglicherweise zu Stress- und Angstgefühlen führen.

Die Forscher hoffen, dass wir in unserer schnelllebigen Online-Welt gegenüber verschiedenen elektronischen Kommunikationsstilen hoffentlich genauso tolerant und respektvoll werden, wie gegenüber sozialen Unterschieden in der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht.

Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 7. August 2020