Was kann einer schon tun?

Autor: Peer Martin

Buchcover

Schon Peer Martins mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneter Debütroman war so viel mehr als nur ein gutes Jugendbuch – und mit seinem kleinen, feinen, äußerlich beinahe unscheinbaren Appell, der nun in nichtbelletristischer Form die titelgebende Frage ein zweites Mal aufgreift, ist es ebenso – ein wichtiges, gewichtiges Werk, das auch jedem Erwachsenen als Lektüre gut anstünde.

In vier fiktiven Gesprächen, in denen der Autor auch bemerkenswert offen eigene Positionen und Ängste thematisiert, geht es im Kern um nicht weniger als die Frage, ob unsere Welt noch zu retten ist: Was ist Toleranz und wo hört sie auf? Kann man Menschen zur Integration zwingen? Ist das Klima sowieso schon verloren? Zunächst  führt Martin ein Zwiegespräch mit seiner Hündin Lola, deren weise Antworten er freilich nur aus ihren tiefen braunen Augen ablesen kann – doch auch sie gibt bereits interessante Anstöße, die auch den Leser zum Weiterdenken kitzeln: Wenn Regierungen nach rechts kippen, dann tun sie das nicht allein, sondern weil die Menschen schubsen. Und: Mit Frieden ist es manchmal wie mit Sonntagsbraten – der schwebt nicht einfach so ins Maul, man muss manchmal schon dafür auf den Tisch springen ...
Auch das junge deutsche Au-pair-Mädchen, das der Autor in seiner neuen Heimat Kanada trifft, bringt eine spannende Perspektive in die Diskussion ein, schwankt zwischen Elan und Resignation und macht doch Hoffnung, dass die junge Generation gewillt ist, die Herausforderungen anzupacken.
Ein somalischer Flüchtling kommt ebenfalls zu Wort, und er geht hart mit der politischen Korrektheit ins Gericht – denn doch, natürlich darf man sich aufregen, und natürlich gibt es auch unter den Flüchtlingen Idioten, und nein, man sollte nicht einfach alle reinlassen. Ein globales Wir wäre wichtig, und vielleicht sollte Flüchtlingspolitik besser an den Wurzeln ansetzen, viel mehr noch, als das heute schon versucht wird?
Bei so vielen Ratschlägen und Meinungen kann der Kopf schwirren, und da ist es ausgerechnet Peer Martins zehnjähriger Sohn, der die versöhnliche Erkenntnis beisteuert: Klar sind das alles große Fragen und große Probleme, aber die Lösung fängt immer im Kleinen an. Und deshalb macht er sich mit seiner Schulklasse gleich nächste Woche mal an die Rettung der Welt. Mit einem Riesenpuzzle und Dosenrecycling, denn Verzweifeln ist ja auch keine Lösung – und Helfen manchmal gar nicht so anders wie Kartoffelschälen im Kollektiv. Fun-Faktor inklusive.

Aufrüttelnd, inspirierend, manchmal überraschend – eine Lektüre, die nachhallt, Denkanstöße gibt und motiviert, manchen Dialog vielleicht auch selbst einmal zu suchen und zu führen. Jedenfalls nicht die Flinte ins Korn zu werfen. Lösungen präsentiert das Buch nicht, aber Anregungen gibt es Zuhauf. Und wer sich die Mühe macht, auch noch dem Link am Ende zu folgen, der hat vielleicht den ersten Schritt schon getan. So klein es ist, dieses Buch – untergehen darf es keinesfalls, daher eine dringliche Leseempfehlung! Ach ja, auch hier, bei aller Ernsthaftigkeit: Fun-Faktor inklusive!

*Erschienen bei Oetinger*

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    Autorin / Autor: fabienne - Stand: 12. September 2017