Mit knurrendem Magen vor dem Bildschirm

Studie: Topmodel-Shows steigern Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper

Hübsch, rank und schlank. Bei dem Anblick wird der/dem einen oder anderen vor dem Fernseher schon ein wenig mulmig zumute, selbst wenn die Chipstüte bereits einer Möhre weichen musste. Ab dieser Woche castet Heidi wieder „Topmodels“. Doch wenn die Kandidatinnen mit ihren Streichholzbeinen über den Laufsteg stolzieren, ist das für viele Zuschauerinnen anscheinend kein Grund, sich Sorgen um deren Gesundheit zu machen. Vielmehr wollen sie diesem verkehrtem „Schönheitsideal“ nacheifern. Anscheinend nehmen viele Zuschauerinnen dies zum Anlass, selbst kritisch an sich herunterzuschauen. Auch wenn sie selbst schlank und hübsch sind, empfinden sich viele Mädchen und junge Frauen, die derartige Sendungen verfolgen, als zu dick. Castingshows wie „Germany´s Next Topmodel“ beeinflussen das Körperbild von Jugendlichen, insbesondere von Mädchen, wie eine neue Studie zeigt. Damit könnten Castingshows die Tendenz zu Essstörungen wie etwa Magersucht oder Bulimie verstärken, mahnt die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM).

*Bewunderung und Neid*
Castingshows wie „Germany's Next Topmodel“ (GNTM) sind gerade bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt. Einige dieser Sendungen verfolgen mehr als 62 Prozent der Heranwachsenden zwischen zwölf und 17 Jahren. Die aktuelle Studie deutet darauf hin, dass GNTM bei Mädchen die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper steigert. In der Untersuchung des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) des Bayerischen Rundfunks befragten Forscherinnen Mädchen, die regelmäßig GNTM sahen. Das Resultat: Die Gefühle vieler Befragten schwankten zwischen Bewunderung und Neid. „Alle, die da sind, haben so eine tolle Figur, das gibt mir Anreize abzunehmen“, gab eine 14-Jährige an. Eine 15-Jährige meinte: „Dann denk' ich mir meist, warum ich nicht so dünn bin.“ Und schon eine Elfjährige fand ihren Bauch und ihre Beine zu dick, weil Topmodels ja schlank sein müssten.

*Negative Folgen*
„Wenn Mädchen sich trotz normalen Gewichts als zu dick empfinden, sind sie anfälliger für eine Essstörung wie Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa“, betont Professor Dr. med. Stephan Herpertz von der DGPM. Studien zufolge leiden in Deutschland an Magersucht, Anorexie genannt, bis zu 0,8 Prozent und an Bulimie drei Prozent der jungen Frauen zwischen 14 und 20 Jahren. Dabei schränken Betroffene mit Magersucht, ihre Nahrungsaufnahme stark ein oder reduzieren ihr Gewicht aktiv durch Erbrechen, exzessiven Sport oder die Einnahme von Abführmitteln. Junge Frauen mit Bulimie streben ebenfalls ein Gewicht an, das ihnen ständiges Fasten auferlegt. Sie haben jedoch gleichzeitig die Kontrolle über ihr Essverhalten verloren und ein Teufelskreis zwischen übermäßigem Essen, Erbrechen und Fasten entsteht. Beide Essstörungen können schwerwiegende seelische wie auch körperliche Schäden zur Folge haben. So wirkt sich die Magersucht beispielsweise negativ auf die Knochendichte, das Längenwachstum und die Hirnreifung aus. An dieser Krankheit sterben etwa 12 Prozent der Betroffenen.

„Essstörungen wie Anorexie haben gravierende Folgen für die Gesellschaft“, gibt Professor Herpertz von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bochum zu bedenken. „Denn sie betreffen fast ausschließlich junge Menschen und beeinträchtigen sowohl deren gesundheitliche als auch berufliche Entwicklung.“ Bei der Behandlung der Patienten rät die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) in einer aktuellen S3-Leitlinie vor allem zu einer Psychotherapie, die speziell auf die jeweilige Essstörung ausgerichtet ist. „Sie soll das Essverhalten wieder normalisieren und die mit der Krankheit verbundenen seelischen Probleme lösen. Der Heilungserfolg bei der Anorexie liegt lediglich bei etwa der Hälfte der Patientinnen“, erläutert der Sprecher der Leitlinie. Selbst bei günstigem Verlauf sei dies ein langwieriger Prozess, der oft eine stationäre Behandlung erfordere.

Wichtigster Hinweis bei der Magersucht ist das stetig sinkende Körpergewicht. Die verzerrte Wahrnehmung des eigenen Körpers als zu dick trotz objektivem Untergewicht ist ein weiteres wichtiges Warnzeichen sowohl für Magersucht wie auch Bulimie. „GNTM hat sicherlich ein nicht zu unterschätzendes Gefährdungspotenzial für junge Frauen und ein öffentlicher Diskurs wäre wichtig“, ergänzt Professor Herpertz.

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Autorin / Autor: Pressemitteilung / Redaktion - Stand: 22. Februar 2012