Streiten für den Zusammenhalt

Studie zeigt Verlauf von Fehden

Könnt ihr euch noch an die Geschichte mit dem Maschendrahtzaun erinnern? Es ist schon einige Jahre her, dass Regina Zindler ihren Nachbarn anklagte, weil sein Knallerbsenstrauch ihren geliebten Maschendrahtzaun beschädige. Damit schaffte sie es zu Barbara Salesch ins Fernsehen - und Stefan Raab widmete ihr ein unrühmliches Lied. Unnötig solche Nachbarschaftsstreits, sollte man meinen, aber trotzdem sind diese keine Seltenheit. Mit der Frage wie Nachbarschafts- oder Familienfehden verlaufen, haben sich ForscherInnen in einer aktuellen Studie beschäftigt.

In der Regel folgen sie ähnlichen Mustern: Frei nach dem Motto „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ versuchen die zerstrittenen Parteien, sich gegenseitig zu schaden und sich damit für empfundenes Unrecht zu rächen. Der Ausgangspunkt des Streits gerät dabei oft in Vergessenheit. WissenschaftlerInnen der Universität Göttingen und des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Biologie in Plön haben dieses Verhalten nun auch experimentell nachgewiesen. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift PLOS ONE erschienen.

Die TeilnehmerInnen der Studie hatten die Möglichkeit, ihre Mitspieler in einem kooperativen Spiel zu bestrafen. Fühlten diese sich ungerecht behandelt, rächten sie sich bei nächster Gelegenheit mit einer ebenso hohen „Vergeltungsbestrafung“. Zusammenhalt und Zusammenarbeit sind notwendig, damit eine Gesellschaft funktioniert. Die Möglichkeit, Mitglieder einer Gesellschaft zu bestrafen, gilt in der Evolutionsbiologie als wichtiger Mechanismus, um kooperatives Verhalten zu fördern. Rächt sich jedoch der Bestrafte, geht der eigentliche Zweck der Bestrafung verloren. Der Mechanismus ist in diesem Fall von Nachteil für die Gemeinschaft, weil er für alle Beteiligten mit Aufwand verbunden ist. Kommt es dann zu wechselseitigen Bestrafungen, spricht man von einer Fehde oder Vendetta – ein bekanntes Beispiel aus der Literatur ist der langjährige Streit zwischen den Familien Montague und Capulet in William Shakespeares Romeo und Julia.

In der Studie der Göttinger Verhaltensbiologen verfügten die knapp 140 Teilnehmer über ein bestimmtes Budget. Das am Ende der Studie verbleibende Geld wurde den Teilnehmern bar ausgezahlt. Wollten sie einen anderen Teilnehmer bestrafen, mussten sie einen bestimmten Betrag zahlen, der Bestrafte zahlte gleichzeitig eine vergleichsweise höhere Summe. Der Akt des Bestrafens stellte somit für alle Beteiligten eine Belastung dar und warf sie vor allem im Vergleich zu den Teilnehmern, die von einer Bestrafung absahen, finanziell zurück. Dennoch konnten die WissenschaftlerInnen zeigen, dass Menschen sich auch unter experimentellen Bedingungen auf Bestrafungsvendetten einlassen. „Fühlte sich der bestrafte Teilnehmer ungerecht behandelt, rächte er sich in der nächsten Runde des Spiels mit einer ebenso hohen Vergeltungsstrafe, obwohl die Nachteile bekannt waren“, erläutert die Leiterin der Studie, Dr. Katrin Fehl vom Courant Forschungszentrum „Evolution des Sozialverhaltens“ der Universität Göttingen.

Einige Teilnehmer entwickelten im Laufe der Studie außerdem eine Strategie, sich ohne das Risiko einer längeren Fehde zu rächen: Obwohl sie die Anzahl der geplanten Spielrunden nur erahnen konnten, zögerten sie ihre Rache so weit wie möglich hinaus, um durch das Ende des Spiels einer möglichen weiteren Vergeltung zu entgehen. Darüber hinaus bestand die Gruppe der Teilnehmer, die sich entschlossen, eine Fehde während des Spiels selbstständig zu beenden, überraschenderweise zu gleichen Teilen aus Spielern, die sich vorher kooperativ als auch unkooperativ gezeigt hatten. „Das zeigt, dass selbst die destruktive Fehdenbestrafung unter Umständen positive Auswirkungen auf die Zusammenarbeit innerhalb einer Gesellschaft haben kann“, so Dr. Fehl.

Wer sich ungerecht behandelt fühlt, rächt sich also anscheinend gerne - was allerdings das eigentliche Problem nicht lösen dürfte. Zu bedenken ist, dass sich die StudienteilnehmerInnen untereinander nicht kannten und anscheinend nicht die Möglichkeit hatten, zu diskutieren und ihrem Gegenüber das Fehlverhalten anzukreiden.

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Autorin / Autor: Pressemitteilung/ Redaktion - Stand: 17. Oktober 2012