Nur Löwen und Eisvögel?

Studie zu Tierdokus beklagt mangelnde Vielfalt in den Filmen

Obwohl das Angebot von Dokumentarfilmen über Wildtiere in den letzten Jahrzehnten schier unübersichtlich groß geworden ist, sind es doch gefühlt immer wieder die gleichen Tiere, denen die Kameras folgen. Das Problem daran: Diese Filme sind zwar faszinierend und unterhaltsam, aber sie vermitteln ein verzerrtes Bild der uns umgebenden Natur, sagen Forscher:innen der Universität Cambridge. Sie werfen den Naturdokus vor, dass sie oft ein unberührtes Bild der Natur zeigen und den Verlust an Lebensraum und Artenvielfalt bis hin zu hohen Aussterberaten ausblenden. Darüber hinaus zeigten sie auch viel zu wenig Wildtiere aus unserer nächsten Umgebung oder aus Städten.

Die Hauptautorin Kate Howlett, Doktorandin am Fachbereich Zoologie der Universität Cambridge, und ihre Kolleg:innen analysierten eine Online-Filmdatenbank und stellten eine Liste von 945 Naturdokumentationen zusammen, die zwischen 1918 und Juni 2021 produziert wurden. Sie teilten sie in sieben Zeiträume auf, aus denen sie jeweils 15 Dokumentarfilme zufällig auswählten. Für jeden Film listeten sie alle Lebensräume, Organismen und Arten auf, die gezeigt wurden, und untersuchten auch, ob eine Botschaft zur Erhaltung der Natur darin vorkam.

Bei ihrer Recherche stellten sie fest, dass Dokumentarfilme über Wildtiere zwar ein vielfältiges Bild der Natur vermitteln, aber die Hauptdarsteller:innen sind offenbar meist Wirbeltiere, die in 81 % der Filme auftauchen. Insgesamt kommen Vögel und Säugetiere zusammen auf mehr als die Hälfte der Darstellungen, während wirbellose Tiere nur in 18 % der Filme erwähnt werden. Und das, obwohl Wirbeltiere nur 3,4 % der bekannten Arten ausmachen, gegenüber 75 % bei den Wirbellosen. Pflanzen waren über alle Zeiträume hinweg übrigens gleichbleibend gering in den Filmen vertreten. Bei Insekten, Fischen und Reptilien gab es im Laufe der Jahrzehnte große Schwankungen, während Säugetiere und Vögel gleichbleibend stark vertreten waren.

Tiere, die uns vertraut sind

"Es gibt mit Sicherheit einen Grund, warum wir mehr Säugetiere und Vögel sehen - wenn man will, dass die Menschen sich engagieren, braucht man Tiere, die den Menschen vertraut sind und für die sie sich bereits interessieren, sonst werden sie nicht zusehen", sagt Howlett. Die Gefahr bestehe aber darin, dass die Menschen den Eindruck gewinnen, dass die Natur in Ordnung ist. Es müsse darum ein Gleichgewicht herrschen, fordert die Wissenschaftlerin.
Auch bei den dargestellten Lebensräumen mangelt es offenbar an Vielfalt, so taucht der Tropenwald am häufigsten und die Tiefsee am seltensten auf - und das über die ganzen untersuchten Zeiträume hinweg.

Naturschutz erst in ab diesem Jahrhundert ein Thema

Was die Botschaften zum Naturschutz betrifft, so fand das Forschungsteam das Thema nur in 16 % der Dokumentarfilme insgesamt, davon kommen sie in fast der Hälfte der Dokumentarfilme des aktuellen Jahrzehnts vor. Vor den 1980er Jahren enthielt kein einziger Dokumentarfilm das Thema Umweltschutz.

"Wir mussten noch nie darüber nachdenken, wie die Menschen die Natur erleben, weil sie einfach zum Leben eines jeden dazugehört", sagt Howlett. "Früher war das kein Problem, aber jetzt leben immer mehr Menschen in Städten und urbanen Räumen."

Die Ergebnisse der Studie stehen übrigens auch im Einklang mit neueren Studien, die darauf hindeuten, dass sich die Naturschutzforschung in den letzten drei Jahrzehnten stärker auf Wirbeltiere konzentrierte.

Die Forscher:innen plädieren dafür, dass Dokumentarfilmproduzent:innen die Bandbreite der gezeigten Arten und Lebensräume vergrößern sollten, um das Bewusstsein für die Bedeutung der verschiedenen Ökosysteme und die Unterstützung ihrer Erhaltung sowie die Wertschätzung für die Natur zu erhöhen.

"Filmemacher haben die Möglichkeit, sich auf die städtische Tierwelt zu konzentrieren und die Öffentlichkeit einzubeziehen, indem sie ihr die Tierwelt in ihrer Umgebung zeigen und die Menschen möglicherweise dazu inspirieren, sich aktiver mit der lokalen biologischen Vielfalt zu beschäftigen", sagt Howlett. Es sei ziemlich erschreckend zu sehen, wie ungenau unsere eigene Wahrnehmung der Welt ist, und es sei wichtig, den Zuschauer:innen sowohl Unterhaltung als auch Bildung zu bieten und Lösungen für Naturschutzprobleme aufzuzeigen.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 17. März 2023