KI übersetzt Gehirnsignale in Sprache

Forschung: Wer das Sprechen aufgrund von Unfällen oder Erkrankungen verlernt hat, könnte künftig per Gedankenkraft mit der Außenwelt kommunizieren

Es ist der Stoff, aus dem finstere Science-Fiction Filme gemacht werden. Im Überwachungsstaat können von fiesen künstlichen Intelligenzen Gedanken ausgelesen werden. Nicht mal die Gedanken sind mehr frei. Aber es ist auch der Stoff, mit dem Märchen wahr werden können. Menschen, die aufgrund von Verletzungen oder Erkrankungen nicht mehr sprechen können und auf Hilfe angewiesen sind, können wieder mit ihrer Umwelt kommunizieren, indem sie denken, was sie mitteilen wollen.

Es ist schon lange bekannt, dass Sprechen oder auch nur die Vorstellung von Sprechen ganz bestimmte Muster im Gehirn erzeugen. Auch wenn wir Sprache hören entstehen solche Muster. Aber bislang war es sehr schwierig, die ausgelesenen Signale irgendwie so zu übersetzen, dass etwas Verständliches dabei herauskommt, das zumindest ansatzweise Sprache ähnelt.
Dem Team um Dr. Mesgarani ist nun der Durchbruch mit Hilfe eines Vocoders (eine Technologie, die auch Apples Siri oder Echo von Amazon verwenden) gelungen; das ist im Prinzip eine Art Algorithmus, der hier trainiert wurde, bestimmte Aktivitätsmuster im Gehirn in Sprache zu übersetzen. Für das Training wurde der Algorithmus mit Sprachaufnahmen und den dazu passenden Aktivitätsmustern gefüttert. Die Aktivitätsmuster stammten von Epilepsiepatient*innen, die schon mehrere Gehirnoperationen hinter sich hatten. Dieselben Testpersonen hörten dann noch einmal gesprochene Zahlen von 1-9. Der Vocoder übersetzte die Aktivitätsmuster, die dann bei den Hörern erfasst wurden und übersetzte sie in Sprache. Und das funktionierte.

Es mag einem jetzt wenig spektakulär vorkommen, dass eine Maschine Zahlen aufsagen kann, aber tatsächlich muss man sich vor Augen führen, dass sie in den Aktivitätsmustern des Gehirns Worte erkennen und als Sprache ausgeben kann. Das ist in der Tat eine Form des Gedankenlesens.

Die Forscher_innen erhoffen sich durch ihre Arbeit Fortschritte für Gehirn-Computer-Schnittstellen, die das menschliche Gehirn mit der Außenwelt verbinden, falls die natürlichen Kanäle nicht (mehr) verfügbar sind. Profitieren können davon Menschen mit Erkrankungen wie etwa ALS, an der auch der berühmte Wissenschaftler Stephen Hawking erkrankt war. Wenn es gelingt, dass Betroffene etwa über ein Neuroimplantat auf diese Weise in Kontakt mit der Außenwelt treten können, sei es mit der Bitte um ein Glas Wasser, dann wäre für diese Menschen viel gewonnen.
Für solche Neuroimplantate sind natürlich auch viele weiterführende Anwendungsgebiete denkbar. Sie könnten ja möglicherweise auch andersherum Sprache in Gehirn-Aktivitäten übersetzen und Gehörlose wieder hören lassen.

Die Ergebnisse dieser Studie sind im Fachjournal Scientific Reports erschienen.

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