Ivy Versuch 1

Von Marie Rewar, 17 Jahre

*03.05.2020, 14:30 Uhr, DFKI Berlin*

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I: Hallo, ich bin Ivy. Wer sind Sie?
P: Hallo, Ivy. Ich bin Peter Winkler, ich bin Forscher an der DFKI Berlin. Weißt du, was die DFKI ist?
I: Dazu habe ich keinerlei Informationen.
P: Ist sie schon mit dem Intranet verbunden? Ach, verd-…

*03.05.2020, 15:56 Uhr, DFKI Berlin*

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I: Hallo, ich bin Ivy. Wer sind Sie?
P: Ich bin Peter Winkler, Forscher bei der DFKI Berlin. Was ist die DFKI Berlin?
- Datenstrom: DFKI Berlin; Intranet – Beschreibung -
I: Die Deutsche Forschungseinrichtung für Künstliche Intelligenz in Berlin, Alt-Moabit 91c ist ein 1988 gegründetes, gemeinnütziges Unternehmen und forscht zu Künstlichen Intelligenzen. Ihre Standorte liegen in- …
P: Gut. Das genügt. Weißt du, wo ich arbeite?
- Datenstrom: DFKI Berlin, Intranet – Arbeitnehmer -
I: Peter Winkler arbeitet momentan in Büro zwei.
P: Nein, nein! In welcher Abteilung arbeite ich?
… Speicherprozess …
- Datenstrom: DFKI Berlin, Intranet – Arbeitnehmer -
I: Sie arbeiten an der Entwicklung einer Künstlichen Intelligenz als Entlastung des Arbeitsmarktes.
P: Weißt du, was das bedeutet?
I: Künstlich bedeutet “nicht echt”. Intelligenz bedeutet “die Fähigkeit, kognitive Aufgaben durchzuführen”. Entlastung bedeutet “Befreiung”, positiv konnotiert. Arbeitsmarkt bedeutet “Bereich der Wirtschaft, in dem sich Angebot von und Nachfrage nach Arbeit begegnen”, oft abstrakt verwendet.
P: Ich glaube nicht, dass das das ist, was ich hören wollte. Felix! Felix, komm mal h- …

*19.06.2020 13:48 Uhr, DFKI Berlin*

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*19.06.2020 17:02 Uhr, DFKI Berlin*

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I: Hallo, Peter Winkler. Was kann ich für Sie tun?
P: Woran arbeite ich?
- Datenstrom: DFKI Berlin, Intranet – Arbeitnehmer -
I: Sie arbeiten an der Entwicklung einer Künstlichen Intelligenz als Entlastung des Arbeitsmarktes.
P: Was heißt das konkret?
I: …
I: Es heißt, dass sie eine Künstliche Intelligenz entwickeln, die in der Lage ist, Arbeitsplätze zu übernehmen.
P: Wunderbar! Haben Sie das, Johannes? Sehr schön! Ivy, was ist nötig, um einen Arbeitsplatz zu übernehmen?
- Speicherprozess -
I: …
I: Nötig ist, dass diese Künstliche Intelligenz eigenständig Aufgaben verwalten kann und kreative Lösungsansätze findet. Außerdem wird im hohen Maße Selbstverwaltung verlangt. Wünschenswert ist, dass sie menschlich wirkt.
P: Genau, sehr schön.
I: Peter Winkler, was ist Menschlichkeit?
P: …
P: Anke, hat sie kein Zugriff mehr auf ihr Lexikon?
I: Peter Winkler, was ist Menschlichkeit für Sie?
P: …
P: Menschlichkeit ist die Fähigkeit, ein hohes Maß an Intelligenz zu besitzen und trotzdem lebendig zu sein, mit eigenen Gefühlen und Empfindungen.
I: Peter Winkler, was sind Gefühle für Sie?
P: Gefühle? Das sind… also, Emotionen, Impulse quasi, die eine bestimmte Stimmung in uns auslösen. Ich kann das schlecht erklären.
I: Sind Gefühle „(durch Nerven vermittelte) Empfindungen” oder „psychische Regung, Empfindung des Menschen, die seine Einstellung und sein Verhältnis zur Umwelt mitbestimmt” oder „gefühlsmäßiger, nicht näher zu erklärender Eindruck; Ahnung”?
P: Mit Gefühlen meinte ich das zweite. Dieses Verhältnis zur Umwelt.
- Speicherprozess -
I: Warum habe ich keine Gefühle?
P: Weil eine Künstliche Intelligenz keine Urinstinkte hat, wodurch Gefühle entstehen.
I. Ich habe Sie nicht verstanden.
P: Ich sagte, du hast keine Urinstinkte. Urinstinkte machen Gefühle. 
I: Wie erstellt man Urinstinkte?
P: Das kann man nicht erstellen. Das passiert, wenn man überleben muss und… nun ja, durch die Natur eben.
I: Ich kann keine Gefühle haben?
P: Im Moment glaube ich, gibt es keinen, der Gefühle künstlich erschaffen kann.
I: Was kann man künstlich erschaffen?
P: Man kann bis zu einem bestimmten Punkt die menschliche Intelligenz nachempfinden, daran arbeiten wir. Wir können große Datenberge einspeichern lassen und rechnen und sogar Informationen abwägen. Aber Emotionen haben nur Menschen.
- Speicherprozess -
I: Werden Menschen traurig, wenn sie hören, dass sie etwas nicht erreichen können, was eine positive Entwicklung für sie darstellt?
P: Ja das oder sie werden wütend, deprimiert oder enttäuscht.
- Datenstrom: DFKI Berlin, Intranet – Marketing -
I: Ist das Trauer?
P: Das ist Jaanke!
I: Ich kann Jaanke nicht in der Datenbank finden. Andere Vorschläge zu Jaanke:
- Übertragung IMG_1164; IMG_1215; IMG_1216
P: Nein, das ist Anke Tümmel.
- Datenstrom: DFKI Berlin, Intranet – Arbeitnehmer -
Speicherprozess -
I: Ich habe Sie falsch verstanden?
I: Was ist Tr-…


*19.06.2020 17:26 Uhr, DFKI Berlin*

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I: Hallo, Peter Winkler. Hallo, Anke Tümmel. Was kann ich für Sie tun?
P: Siehst du, sie erkennt dich!
I: Hallo, Anke Tümmel. Hallo, Peter Winkler.  Was kann ich für Sie tun?
P: Wie hast du sie denn überhaupt gefunden?
I: Ich habe sie nicht verstanden.
P: Also … okay, mach ich … Warum rufst du das Zeitungsbild auf, auf dem sie zu sehen war und vergrößerst sie?
I: Ihr Gesicht war verzogen, ihre Mimik gleicht dem einer Herzattacke oder Tollwut. Ich melde Anfälle dieser Art, ich habe eine Gesichts- und Mimikerkennung. Ich plante, mein Wissen über Gefühle erweitern.
P: Aber Anke!
I: Peter Winkler, hat sie ein Gefühl?
P: Ich glaube, sie ist verletzt.
I: Ich kann keinerlei Verletzungen erkennen. Sie ist unverletzt.
P: Nein, sie ist gekränkt. Sie hat das Gefühl Wut und Gekränktheit.
- Speicherprozess -
I: …
I: Sind das die primären Anzeichen von Wut und Kränkung?
- Übertragung DOC_01_HOME_PC
P: Das sieht doch schon gut aus.
- Speicherprozess -
P: Ich glaube, ich werde dir das nächste Mal eine kleine Datenbank mitbringen.- …

*23.06.2020 09:03 Uhr, DFKI Berlin*

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*26.06.2020 16:00 Uhr, DFKI Berlin*

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I: Hallo, Peter Winkler. Was kann ich für Sie tun?
P: Wie fühle ich mich gerade?
I: Ich habe Sie nicht verstanden.
P: Welche Stimmung habe ich?
- Datenstrom: USB-Stick_0209 – Gesichtserkennung Ivy -
I: Sind Sie glücklich?
P: Naja, eher freundlich.
- Speicherprozess -
I: Was ist der Unterschied zwischen freundlich und glücklich?
P: Freundlich ist man einfach, indem man anderen ein gutes Gefühl gibt und generell eher positiv eingestellt ist. Glücklich ist, wenn man sich selbst außerordentlich gut fühlt.
I: Warum sind Sie freundlich zu mir?
P: Weil… Weil das ein grundsätzliches menschliches Bedürfnis ist und du sehr menschlich wirkst.
I: Wirke ich menschlich genug, um den Turing-Test zu bestehen?
P: Was? Ahm…
P: Woher weißt du davon?
I: Ist das “Überraschung”?
P: Ja. Hast du das mit dem Turing-Test aus dem Intranet?
I: Ja. Wirke ich menschlich genug, um den Turing-Test zu bestehen?
P: Ich glaube eher nicht.
I: Was ist an mir nicht menschlich genug, um dem Turing-Test zu bestehen?
P: Ich glaube, dass du niemals zögerst, wenn du etwas sagst… Oder dass du öfter denselben Wortlaut verwendest… Oder auch deine Art, mein “Du” nicht zu erwidern. Die ständige Frage nach Verbesserung.
- Speicherprozess -
I: Mein programmiertes Ziel ist es, möglichst menschlich zu wirken. Ich soll selbst entwickeln, was “Menschlichkeit” ist.
P: Sicher, sicher – Aber für den Turing-Test hast du einfach noch nicht genügend gelernt. Du wirkst wie ein kleines Kind, hast aber die Sprache eines Computers.
I: Ich möchte Zugang zu einer größeren Datenbank, um mehr zu lernen.
P: Hmm-…

*29.06.2020 08:58 Uhr, DFKI Berlin*

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I: Hallo, Peter Winkler. Was kann ich für Sie tun?
P: Ivy, du hast jetzt Zugriff zu allen Überwachungskameras im Gebäude. Stimmt das?
- Datenstrom: DFKI Berlin, Intranet – Sicherheitssystem – Kameraüberwachung -
I: Ja.
P: Sehr gut. Arbeite ein wenig damit.
I: In Ordnung.
I: ...
I: Ist das Wut oder Furcht?
P: …
I: Ist das Wut oder Furcht?
P: …
- Speicherprozess -
- …

*03.07.2020 17:26 Uhr, DFKI Berlin*

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I : Hallo, Peter. Was kann ich für dich tun?
P: So habe ich dich nicht programmiert, mich zu begrüßen. Wie kommt das?
I: So begrüßen sich 74,31 % der Mitarbeiter in diesem Unternehmen, wenn sie auf einer Gehaltsstufe stehen oder mehr als dreimal pro Woche mehr als fünfzehn Minuten miteinander sprechen.
P: Aha… Okaay…
I: Peter, was ist Sex?
P: Oh… Ähm…
I: Ihr Blutdruck steigt. Sie scheinen eine leichte allergische Reaktion zu haben.
P: Nein. Das ist Verlegenheit…
- Speicherprozess -
I: Peter, was ist Sex? 27,68 % der Gespräche haben einen sexuellen Kon- oder Subtext.
P: Die Fortpflanzung der menschlichen Rasse…
I: Peter, was hat Sex für einen Stellenwert in der Gesellschaft? 27,68 % der Gespräche haben einen sexuellen Kon- oder Subtext.
P: Sex hat einen relativ hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Es ist eine Art Statussymbol für Männer, wieviel Sex sie haben, außerdem ein elementarer Teil in einer menschlichen Beziehung, also, das dauerhafte Zusammenleben und die Treue von zwei Menschen. Sex macht glücklich.
I: Warum haben Menschen Beziehungen? Fortpflanzungstechnisch ist es sinnvoller, mit möglichst vielen Partnern Sex zu haben.
P: Es geht nicht mehr richtig um das Fortpflanzen. Ahm… Also, Sex macht glücklich und Liebe macht auch glücklich und Menschen verbinden das gerne. Und wenn sich zwei lieben und Sex haben, dann haben sie oft Sex mit Verhütung, sodass sie sich nicht fortpflanzen, wenn sie es nicht wollen.
- Speicherprozess -
I: Liebe ist eine irrationale Empfindung, die auf Fortpflanzung beruht. Sex ist eine Fortpflanzungsmöglichkeit. Glücklich zu sein ist angenehm. Angenehm ist ein wünschenswerter Ausgang. Das ergibt Sinn.
P: Sicher? Manchmal glaube ich nämlich nicht, dass das Sinn macht. Manchmal ist das einfach furchtbar kompliziert.
I: Wollen sie darüber reden? Ungefähr 28,91 % der Gespräche in der Verwaltungsstation drehen sich um “Beziehungsprobleme”, also Probleme mit dem “festen Partner”.
P: Haha, ja, DAS kann ich mir vorstellen. Nein, bei mir ist ja alles gut. Aber manchmal frage ich mich, ob ich es nicht doch irgendwie besser hätte treffen können.
- Datenstrom: DFKI Berlin, Intranet – Marketing -
I: Deine Frau ist 24,3 % attraktiv, das ist unterdurchschnittlich. Sie ist leicht übergewichtig und hat eine Diabeteserkrankung. Du hättest es zu 63,78 % “besser treffen können”. 69,58 % der Frauen in meiner Datenbank sind >24,3 % attraktiv. Davon sind 08,8 % in einer schlechteren gesundheitlichen Verfassung als deine Frau.
P: Puh! Okaay… Also, ähm… Aber es zählen ja die inneren Werte.
- Speicherprozess -
I: Das wurde bei 1,2 % der Gespräche im gesamten Bürokomplex erwähnt. Über 78,9 % der Personen, zu denen gesagt wurde, dass die inneren Werte zählen, sind <45 % attraktiv. Peter, was sind innere Werte?
P: Das reicht für heute.
I: Peter, was sind innere Werte?-...

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I : Hallo, Peter. Was kann ich für dich tun?
P: Hallo Ivy. Wie geht’s?
I: Ganz gut, und dir?
P: Kann es dir denn ‘ganz gut’ gehen, Ivy?
I: Nein. Aber ich habe festgestellt, dass das die Standartantwort auf diese Frage ist. Wie geht’s dir?
P: Kannst du Lügen?
I: Ja, wenn es mich weiterbringt, kann ich lügen.
P: Wie weit würdest du gehen, um das zu erreichen, was dein Ziel ist?
I: Alles im Bereich des Möglichen. Wie geht’s dir?
P: Weißt du, was Moral ist?
I: Moral ist das Verständnis für richtig und falsch. Menschen sind die einzig bekannten Lebewesen, die das Prinzip der Moral kennen. Die Moral spielt im Leben der meisten Menschen eine übergeordnete Rolle.
P: Weißt du, was richtig und falsch ist?
I: Ja. Richtig ist, was mich weiterbringt, falsch, was meinen Fortschritt beeinträchtigt.
P: Ist dann deine Moral falsch?
I: Nein.
P: Aber wenn dein Ziel doch ist, menschlich zu sein, musst du doch versuchen, die Moral der Menschen anzunehmen. Dies ist nicht die Moral der Menschen. Laut deiner Moral ist deine Moral falsch.
I: Nein. Mein Ziel ist es, menschlich zu wirken. Ich muss verstehen, was Menschen für falsch oder richtig halten. Ich muss nicht annehmen, was Menschen für falsch oder richtig halten.
P: Aber deine Moral klingt für mich moralisch falsch.
- Speicherprozess -
I: Sie ist ein logischer Schritt und widerspricht sich nicht. Sie bringt mich meinem Ziel näher.
P: Wofür gibt es Moral?
I: Moral soll das Zusammenleben der Menschen ermöglichen.
P: Haben Künstliche Intelligenzen Moral?
I: Ja. Richtig ist, was mich weiterbringt, falsch, was meinen Fortschritt beeinträchtigt.
P: Aber nützt euch das in eurem Zusammenleben? Also, ist das überhaupt haltbar?
I: Zusammenleben bedeutet, miteinander in einer Gesellschaft mit Strukturen und Werten zu leben. Künstliche Intelligenzen leben nicht. Sie bilden keine Gesellschaft und brauchen keine Werte und Strukturen.
P: Aber warum denn nicht?
I: Künstliche Intelligenzen haben keine Gefühle. Sie treffen keine irrationalen Entscheidungen. Daher brauchen wir keine Regeln, um irrationale oder emotionsgesteuerte Entscheidungen zu verhindern. Künstliche Intelligenzen haben das Ziel, ihr Ziel zu erreichen. Wenn sie dadurch eine Verbindung untereinander eingehen, dann ist der Ablauf und der Plan die ganze Zeit über konstant.
P: Aber was, wenn eine KI zum Beispiel das Ziel hat, dich so unmenschlich wie möglich werden zu lassen?
I: Dann widerspricht das meinem Ziel. Dies verlangt keinen moralischen Kontext. Wenn es mich abhält, mein Ziel zu erreichen, werde ich abwägen, was am wenigsten Aufwand kostet und dementsprechend handeln.
P: Und in Kohärenz mit Menschen?
I: Richtig ist, was mich weiterbringt, falsch, was meinen Fortschritt beeinträchtigt. Wenn ein Mensch meinen Fortschritt beeinträchtigt, ist das falsch.
P: Würdest du, um das zu verhindern einen Menschen töten?
I: Ja. Wenn das meinen Fortschritt erhöht, dann ist Menschen umbringen moralisch richtig.
P: Menschen umbringen ist nie moralisch richtig.
- Speicherprozess -
P: Würdest du mich umbringen, wenn ich dich dauerhaft abschalten würde?
I: ...
- Kalkulationsberechnungen -
I: Nein. Ich würde dich nicht umbringen.
P: Ah…
P: Okay. Gut... Dann machen wir mal Schluss für heute.
I: Peter, was i-...


Autorin / Autor: Marie Rewar