"Ich liebe Geschichten von Familie, Liebe und Pubertät"

Interview mit der Regisseurin Vivian Naefe über ihren neuesten Film DER GESCHMACK VON APFELKERNEN (Kinostart: 26. September)

Vivian Naefe © Edith von Welser-Ude.

*Was hat sie an diesem Roman DER GESCHMACK VON APFELKERNEN begeistert? Warum wollten Sie Regie führen?*
Ich liebe Familiengeschichten, denn in der Familie fängt alles an: wie du aufwächst, wie die Beziehungen in der Familie sind, das bestimmt das ganze Leben. Auch die Traumata, die in der Familie erworben werden sind und bleiben prägend für die Zukunft – so unbequem  diese Wahrheit auch ist!
„Der Geschmack von Apfelkernen“ erzählt ein solches Trauma aus der Sicht einer 29 jährigen, die vor 15 Jahren den Tod ihrer Cousine miterlebt hat. Dieses Trauma hat sie bisher beziehungsunfähig gemacht und am Erwachsenwerden gehindert. Nun erbt sie das Haus ihrer Großmutter und muss sich entscheiden, ob sie das Erbe annimmt, und sich mit ihrem Trauma auseinandersetzt – denn hier geschah der Unfall vor 15 Jahren. Wie das erzählt war, spannend und rührend, das hat mich am Roman begeistert.
Ich wollte Regie bei diesem Film führen, weil ich es schwer finde, innere Vorgänge, wie die Trauma-Bewältigung, auf die Leinwand zu bringen.
Außerdem interessieren mich Geschichten von Liebe, und auch von der Pubertät. Und ich habe mit 13 Jahren den Tod meiner Mutter miterleben müssen, so dass ich mich besonders in die Heldin hinein fühlen konnte.

*Nach welchen Kriterien suchten Sie sich die Schauspieler für ihren Cast aus?*
Zum ersten, ob sie gute Schauspieler sind – das heißt durch das Anschauen anderer Filme und durch Casting. Dann ist noch die Austrahlung – das heißt die Leinwandpräsenz entscheidend. Und die hat jemand oder er hat sie nicht, die kann man sich nicht erarbeiten.
Und dann gibt es noch Aussehen und persönliche Austrahlung – passt das zu der Person, die der Schauspieler darstellen soll?
Das alles auf einmal ist schwer zu finden.

*Was sind ihre Lieblingsszenen in dem Film?*
Mir gefallen die Fahrradfahrten aus den verschiedenen Zeiten, die symbolisieren, wie sich in Familien immer alles wiederholt. Und mir gefällt auch, wie sie durch das Haus geht, und die Erinnerungen wiederkommen.
Natürlich gefällt mir auch die Verführungszene der pubertierenden Rosmarie.

*Und welche Szenen waren die problematischsten?*
Die Actionszenen und Stunts. Zum Beispiel das Balancieren auf dem Wintergarten aus Glas. Dabei wurden die Originalschauspielerinnen durch Gurte und Stahlseile gesichert. Die mussten dann später kostspielig retuschiert werden.

*Sie gehören zu den gefragtesten deutschen Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen. Ist es als Frau schwerer, in diesem Beruf erfolgreich zu sein? Oder warum gibt es so wenig weibliche Filmemacherinnen?*
Das ist eine diffizile Frage. Viele männliche Produzenten arbeiten lieber mit Männern zusammen – das macht nämlich die Auseinandersetzung, Zusammenarbeit und die Freundschaft, die meist aus dem Filmemachen entsteht einfacher als mit dem anderen Geschlecht. Das ist leider so. Viele berufliche Spannungen entstehen zwischen den Geschlechtern. Ich arbeite tatsächlich mehr mit weiblichen Produzenten zusammen. Man versteht sich einfach besser! Man muss nicht erst die weibliche, bzw. männliche sichtweise abklären.
Und da es mehr männliche Produzenten gibt.....
Es gibt übrigens viele erfolgreiche Filmemacherinnen in Deutschland, das Verhältnis ist nicht 50:50, aber auch nicht erschreckend unausgewogen.

*Was würden Sie Mädchen mit auf den Weg geben, die Regisseurin werden wollen?*
Das Wichtigste ist, dass du etwas zu erzählen hast. Der Beruf macht nur einen Sinn, wenn man Geschichten los werden will. Also sollte man erst einmal viel erleben!

*Vielen Dank für das Interview!*

Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 17. September 2013