Gruppenzwang schon im Vorschulalter

Bereits Vierjährige richten ihre öffentliche Meinung an der Mehrheit aus

Wenn alle meinen, dass sich etwas so oder so verhält, dann fällt es ungemein schwer, lauthals zu einer entgegengesetzten Meinung zu stehen, selbst wenn man von ihr überzeugt ist. Allzu leicht schwenkt man dann um und schließt sich - zumindest scheinbar - der mehrheitlichen Meinung an.

Bei Jugendlichen und Erwachsenen lässt sich das ständig beobachten, aber auch schon bei Vorschulkindern? Dieser Frage gingen Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und für Psycholinguistik in Nijmegen, Niederlande nach. Wie gehen Kleinkinder mit Informationen um, die sie von Gleichaltrigen erhalten, fragten sich Daniel Haun uns seine KollegInnen in ihrer Studie, an der 96 vierjährige Mädchen und Jungen aus 24 verschiedenen Kindergartengruppen teilnahmen. „Uns interessierte, inwiefern bereits Kleinkinder ihre öffentliche Meinung an der Mehrheitsmeinung ausrichten, auch wenn sich diese ganz offensichtlich nicht mit ihrer eigenen deckt“, sagt Haun.

Am ersten Teil der Studie nahmen pro Durchgang vier Kinder teil. Sie erhielten scheinbar identische Bücher mit jeweils 30 Doppelseiten, auf denen Tierfamilien dargestellt waren. Links waren Mutter, Vater und Kind zusammen, rechts nur jeweils ein Familienmitglied. Die Kinder sollten nun bestimmen, um welches Familienmitglied es sich handelte. Aber nur drei der Bücher waren tatsächlich identisch, beim vierten war manchmal auf der rechten Seite ein anderes Bild zu sehen. Die Kinder dachten jedoch, dass sie alle die gleichen Bücher vor sich hatten. „Das Kind, welches das abweichende Buch erhalten hatte, wurde mit der aus seiner Sicht völlig falschen Einschätzung dreier Gleichaltriger konfrontiert“, erklärt Haun. „Von 24 Kindern passten sich 18 Kinder in einem oder mehreren Fällen dieser mehrheitlichen Einschätzung an, obwohl sie es eigentlich besser wussten“.

*Den anderen Recht geben und sich seinen Teil denken*
Aus welchen Gründen sich bereits Vorschulkinder der Mehrheit anpassen, untersuchten die Forscher im zweiten Teil der Studie. Abhängig davon, ob eine Lampe leuchtete oder nicht, sollten die Kinder nun die richtige Lösung entweder laut aussprechen oder still auf das entsprechende Tier zeigen, sodass nur der Studienleiter, nicht aber die anderen Kinder die Antwort sehen konnten. Von 18 Kindern, die nicht der Mehrheit angehörten, übernahmen 12 in einem oder mehreren Fällen deren Einschätzung, wenn sie ihre Antwort laut aussprechen mussten. Sollten sie hingegen still auf die richtige Antwort zeigen, übernahmen nur 8 von 18 Kindern die Mehrheitsmeinung. Die Kinder passten also in der Regel ihre öffentliche nicht aber ihre private Antwort an die Mehrheit an. Das deutet darauf hin, dass die Anpassung soziale Gründe hat, wie zum Beispiel die Akzeptanz innerhalb der Gruppe. „Bereits vierjährige Kinder unterliegen einem gewissen Gruppenzwang und beugen sich diesem zum Teil aus sozialen Beweggründen“, so Daniel Haun.

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Autorin / Autor: Pressemitteilung - Stand: 25. Oktober 2011