Fehlstart

Autorin: Marion Messina
Aus dem Französischen von Claudia Steinitz

In dem Debütroman „Fehlstart“ der französischen Autorin Marion Messina, übersetzt von Claudia Steinitz, wird das Leben von Aurélie, einer jungen Französin, beschrieben.

Am Anfang des Buches hat Aurèlie ihr altes Leben mit ihren Eltern aus der Arbeiterschicht gerade verlassen und beginnt mit ihrem Studium, für das sie sich jahrelang angestrengt hat.
Das entpuppt sich aber als ganz anders, als sie sich vorgestellt hat:
Statt einem netten Professoren, der sie in die Schwierigkeiten juristischer Angelegenheiten einweiht und ihr beibringt, diese zu lösen, erwartet sie ein resignierter älterer Mann, der es aufgegeben hat, seinen Studenten noch etwas beizubringen und bereits seit Jahrzehnten den gleichen trockenen Vortrag hält und dabei immer wieder von den Geräuschen der gelangweilten Studierenden unterbrochen wird.

Außerdem erweistes sich für Aurélie als unmögliche Herausforderung, andere Studierende kennenzulernen, weil sie in keine der beiden Gruppen (reiche Bürgerkinder oder Kindern von Anwälten) passt. Für sie als Arbeitertochter ist dort kein Platz, egal, was sie versucht. Ihr Leben fühlt sich trostlos an, denn es besteht nur aus zwei Konstanten: dem langweiligen und trockenen Jurastudium und ihrer Arbeit als Putzfrau. Diese erweist sich dann aber als Glücksgriff, denn dort lernt sie Alejandro kennen, einen Kubaner, der Literatur studiert. Er ist der einzige Mensch, der wirklich bereit ist, sie kennenzulernen, und mit der Zeit kommen sie sich immer näher.

Da Alejandro nicht will, dass sie ein Paar werden, behalten sie einen „paarähnlichen Zustand“ bei, sind aber dennoch nicht nur „Freunde mit gewissen Vorzügen“. Aurélie findet in Alejandro schließlich ihre erste große Liebe, was ihr Leben fast um 180° wendet. Sie nimmt die kleinen Freuden ihres bescheiden Lebens wahr und interessiert sich für Kultur und Musik. Schließlich denkt sie sogar schon über die Namen der gemeinsamen Kinder nach.
Doch dann folgt ein Schlag ins Gesicht: Alejandro will die Universität wechseln und möchte nicht, dass sie mitkommt. Auch wenn er betont, dass er sich immer an ihre gemeinsame Zeit erinnern würde und dass sie um ihrer Selbst willen in Grenoble bleiben solle, ist sie unfassbar traurig. Sie hält ihn aber nicht davon ab, zu gehen und rast mitten in ihren ersten Liebeskummer hinein. Sie besucht keine Vorlesungen mehr und will das Studium hinschmeißen. Ihre Zeit schlägt sie mit Mittagsschlaf, langen Spaziergängen und Touren in unbekannte Dörfer tot.
Schließlich macht sie sich bewusst, wie leer und sinnlos ihr Leben geworden ist. Deshalb beschließt sie, nach Paris in die Hauptstadt zu ziehen. Wird sich ihr Leben dort zum Guten wenden und wird sie vielleicht sogar eine neue Liebe finden? Oder waren dort Arbeitslosigkeit und Armut auf sie?

Das Cover des Buches ist abnehmbar und mit einem Stern aus in einander übergehenden Streifen aus rot und blau gestaltet, die meiner Meinung nach für Aurélie und Alejandro stehen. Aurélie symbolisiert für mich die roten Streifen, sie ist voller Liebe und Zärtlichkeit. Alejandro hingegen symbolisiert für mich die blauen Streifen, die von seiner inneren Distanziertheit und seinem Problem, sich ganz auf jemanden einzulassen, erzählen. Die Farbübergänge spiegeln die Zeit ihres gemeinsamen Lebens.

Mir persönlich hat das Buch anfangs sehr gut gefallen, weil ich die negative Haltung gegenüber Frankreich, mit der dieses Buch geschrieben ist, faszinierend fand. Mit der Zeit wurde mir das aber zu viel. Alles glückliche, was die Protagonistin erlebte, wurde kurz darauf oder wenig später im Keim erstickt oder führte zu noch mehr leid. Ich hatte ein Buch aus dem vielschichtigen Leben einer jungen Frau erwartet, stattdessen las ich ein an sich zwar sehr detailreiches, aber auf nur wenige Ausschnitte beschränktes Buch, was dazu führte, dass ich irgendwann nicht mehr weiterlesen wollte. Außerdem ist dieses Buch für ein Erwachsenenbuch sehr kurz, was ich nicht so schön finde, weil es nicht so viel Platz für eine komplexe Geschichte bietet. Ich wollte mich gerne in die Protagonistin hineinversetzen und ihre Entwicklung begleiten, doch auf 165 Seiten hat das nicht so gut funktioniert. Zudem weiß ich mich, was ich von Aurélie halten soll. Soll ich Mitleid mit ihr haben, weil ihr Leben so traurig ist, oder soll es mir einfach egal sein, denn in diesem Buch passiert so viel Mitleideregendes, dass es einem irgendwann egal wird, was die Protagonistin fühlt.

Ich würde dieses Buch an Leute ab 18 empfehlen, die sich selbst für psychisch belastbar halten, denn wer sich in die Protagonistin hineinversetzen will, muss mit den schrecklichen Dingen, die sie erlebt, klarkommen können. Dieses Buch ist vor allem für Leser von Psychothrillern geeignet, denn obwohl niemand gefoltert wird, fühlen sich die Dinge, die die Protagonistin erlebt, genauso an, wenn man sie vorher kennengelernt und begleitet hat, selbst wenn man sich nicht in sie hineinversetzen kann.


*Erschienen bei Hanser*

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Autorin / Autor: Miriam - Stand: 13. Juli 2020