Es ist so verdammt leer hier

Was passiert in den 442 Jugendherbergen in Coronazeiten?

Jugendherberge Lindlar, Ayfer Berber

Jugendherbergen leben eigentlich von Klassen- und Gruppenfahrten, Familienurlauben etc. Das sind alles Aktivitäten, die derzeit unter den besonderen Bedingungen des Corona-Virus untersagt sind.

Wir haben uns gefragt, was machen die Jugendherbergen jetzt? Wir haben mit Sarah gesprochen. Sarah ist im zweiten Jahr ihrer Ausbildung zur Kauffrau für Tourismus und Freizeit in der Umweltjugendherberge Lindlar, das ist im Bergischen Land in der Nähe von Köln. Die Jugendherberge wurde am 17. März geschlossen. Einen Termin für die Wiedereröffnung gibt es noch nicht.

*Wie bist du mit dieser plötzlichen Schließung der Jugendherberge umgegangen?*
Das war ein Schock, erst kamen einige Absagen und dann war die Jugendherberge von jetzt auf gleich leer. Alle Klassenfahrten und Kommunionswochenenden sind abgesagt worden. Die Sport- und Tanzgruppen, die sonst zum großen Tanzevent nach Lindlar kommen, haben abgesagt. Alle angestellten Mitarbeiter_innen gingen in Kurzarbeit und arbeiten jetzt zum größten Teil im Homeoffice.
Ich als Auszubildende darf (glücklicherweise) weiterarbeiten.
Aber für alle drum herum ist es schwierig, für die Zulieferer oder für die Wäscherei, die normalerweise unsere Wäsche wäscht. Die Wäscherei ist ein Familienbetrieb, und die wissen noch nicht, ob sie nach der Corona-Schließung weiter arbeiten können. Die vielen freiberuflichen Pädagog_innen, die uns bei der Programmgestaltung der Jugendherberge unterstützen, haben plötzlich keine Arbeit mehr, denn wir mussten bis zu den Sommerferien alle Veranstaltungen absagen.

*Wie hat sich dein Alltag verändert?*
Es ist so verdammt leer hier. Das ist traurig, denn normalerweise freue ich mich jeden Tag auf meine Arbeit, weil ich dort mit vielen unterschiedlichen Menschen, den Kolleg_innen, den Gästen, den Lieferant_innen zu tun habe. Aber ich froh, die Arbeit zu haben, so habe ich einen Rhythmus, es macht Sinn, morgens aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. Aber das Zusammensein mit den Kolleg_innen und das Reden mit den Gästen fehlt extrem.

Zweimal in der Woche habe ich Berufsschule, dies findet jetzt natürlich online per Videochat statt. Wir sind 15 Schüler_innen in unserer Klasse. Wir sind zu viert aus Jugendherbergen, andere arbeiten im Touristenbüro oder in Freizeitparks, die jetzt natürlich auch geschlossen sind. Zuerst tauschen wir uns darüber aus, wie es uns in dieser besonderen Situation so geht, was die Einzelnen machen oder überhaupt machen können, und dann geht der Unterricht los. Wir bekommen Aufgaben online gestellt, die wir beim nächsten Mal gemeinsam besprechen. Das läuft gut. Sich in echt in der Schule zu treffen, wäre natürlich schöner, aber so lernen wir auch die notwendigen Inhalte und können den Lehrer*innen viele Fragen stellen.

*Genießt ihr die Ruhe? Habt ihr eure Aktivitäten umgestellt?*
Es ist seltsam, denn eigentlich ist jetzt Hochsaison und damit eine stressige Zeit. Wir gehen alles ein bisschen langsamer und gemütlich an. Mittlerweile haben wir alles auf Hochglanz gebracht und langanstehende Arbeiten erledigt, wie Renovierung von Zimmern, Pflege der Außenanlagen, Büro aufräumen etc. Aber irgendwann mal ist das auch alles erledigt…
Wir haben Schutzmasken genäht aus Stoffen, die wir noch hatten. Überhaupt achten wir aus Kostengründen und wegen der Nachhaltigkeit darauf, alles zu verwerten und nichts wegzuschmeißen. So haben wir alle Vorräte, die wir nicht verwenden konnten und sonst schlecht geworden wären der Tafel gespendet, zur Renovierung haben wir Farbe aus dem Keller verwendet usw.

*Wie kann man euch eventuell unterstützen?*
Es gibt eine Petition, die man unterstützen kann.
Aber ich finde, das beste ist: Mitglied beim Jugendherbergswerk zu werden. Die Einzelmitgliedschaft bis 26 Jahre kostet nur 7€ für das ganze Jahr. Das hört sich wenig an, aber wenn das viele machen, kommt gut was zusammen. Und Zusammenhalt ist in diesen Zeiten sehr wichtig.

*Wie geht es jetzt weiter?*
Vieles ist einfach ungewiss. Ich werde ab nächste Woche – geplant für ca. ein halbes Jahr - die Jugendherberge in Bonn unterstützen. Die Jugendherberge ist von der Stadt Bonn für Geflüchtete angemietet worden und da werde ich gebraucht. Wir sind als Jugendherbergswerk eine Gemeinschaft und unterstützen uns gegenseitig.
Man muss das Beste draus machen! Nicht verzweifeln, sondern nach vorne schauen. Nächstes Jahr, da sieht alles schon viel besser aus. Das macht Mut! 2021 sind wir schon fast ausgebucht. Denn zum Glück haben viele Gruppen nicht ganz abgesagt, sondern nur ihren Aufenthalt verschoben.
In einem Jahr habe ich Abschlussprüfung und wie es dann weiter geht, weiß ich noch nicht. Hat der Tourismusbereich Zukunft? Schauen wir mal!!

*Vielen Dank für das interessante Interview und viel Glück für dich und dein Team. Wir freuen uns bald wieder von dir/euch zu hören.*

Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 7. Mai 2020