Der erste Eindruck entscheidet über Kooperation

Wer andere für egoistisch hält, handelt selbst egoistisch

„Den mag ich nicht, was für ein arroganter Schnösel“ – ob wir jemanden sympathisch finden oder nicht, entscheiden wir oft schon in den ersten Sekunden. Unsere Erwartungshaltung über das Verhalten unserer Mitmenschen bestimmt wiederum, ob und wie gut wir mit ihnen kooperieren. Denn wer jemanden als egoistisch abstempelt, trifft dann tatsächlich häufiger auf unkooperatives Verhalten und richtet sich auch selbst danach. Die eigene Erwartung werde so zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Zu diesem Schluss kommen Forscher des Max-Planck-Instituts für Gemeinschaftsgüter in Bonn, die Ergebnisse von Gemeinwohlspielen unter die Lupe nahmen.

Der erste Eindruck scheint tatsächlich entscheidend, denn von unserer anfänglichen Meinung wollen wir nur schwer wieder abrücken: „Dies gilt vor allem, wenn es sich um eine negative Vorstellung handelt“,  fasst Michael Kurschilgen eines der wichtigsten Ergebnisse der Studie zusammen.

Die Forscher teilten Studienteilnehmer in London und Bonn in Vierergruppen auf. Jeder Spieler erhielt einen Geldbetrag von jeweils 20 Talern, der entweder für sich behalten oder in ein Gemeinschaftsprojekt investiert werden konnte. Jeder in das Gemeinschaftsprojekt investierte Taler wurde mit 0,4 Talern vergütet. Wenn alle vier Gruppenmitglieder ihre 20 Taler investierten, erhielt jeder 32 Taler, also 12 Taler mehr, als wenn alle ihr Geld für sich behielten. Investierten nur drei ihr Geld für die Gemeinschaft, erhielt der egoistische vierte Mitspieler dagegen 44 Taler.
„Das Gemeinwohlspiel kreiert so ein soziales Dilemma“, sagt Kurschligen. Denn am besten für die Gemeinschaft wäre es, wenn alle in das Kollektiv investierten, doch auf individueller Ebene fahren die Trittbrettfahrer am besten. Schließlich bekommen sie den Bonus auch ohne Investition.

*Londoner pessimistischer als Bonner*
Überraschenderweise gab es in Bonn und London deutliche Unterschiede in der Bereitschaft, ins Gemeinwohl zu investieren. Gerade einmal 43 Prozent hatte der Londoner im Schnitt in das Gemeinschaftsprojekt eingezahlt. In Bonn dagegen waren es 82 Prozent. „Das liegt wahrscheinlich an unterschiedlichen Erwartungen darüber, was normales Verhalten ist“, vermutet Kurschilgen. Wer davon ausgeht, dass auch die anderen sich egoistisch verhalten, neigt selbst auch kaum zu altruistischen Taten. „So gesehen haben die Londoner ein pessimistischeres Menschenbild als die Bonner“, folgert er aus der Zurückhaltung der Briten. Ob sich jemand für ein kooperatives Verhalten entscheidet oder nicht, hängt folglich stark von seiner Annahme darüber ab, wie sich seine Mitspieler entscheiden.

*Egoismus steckt an, Gutmenschentum nicht*
In ihrer Versuchsreihe informierten die Forscher ihre neu zusammengestellten Bonner Mitspieler über das Ergebnis der Londoner Studie. Wie sich zeigte, reagierten die Teilnehmer der neuen Runde deutlich negativ auf die Information, dass in London in den Experimenten zuvor nur wenige Teilnehmer kooperatives Verhalten gezeigt hatten. Anders als die braven Bonner der Vorrunden, zeigten auch sie wesentlich geringere Ambitionen zum Gutmenschentum: Statt über 80 Prozent für das Gemeinwohl zu geben, waren es in diesen Versuchen nur noch durchschnittlich 51 Prozent. Die Negativinformation reichte also, um das zuvor positive Bild der Bonner zu revidieren. Hingegen funktionierte dieses Muster andersherum kaum - gute Beispiele machten aus schlechten Mitspielern keine Musterknaben.

„Angesichts eines sozialen Dilemmas lassen sich Menschen sehr stark von ihrer ursprünglichen Erwartungshaltung gegenüber ihren Mitmenschen leiten, aber sie sind dabei auch besonders sensibel gegenüber negativen Eindrücken“, schließt Kurschilgen aus dieser Beobachtung.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 13. April 2011