Einfach mal nichts adden

Forschung: Die englische Sprache transportiert das Vorurteil, dass "etwas hinzufügen" positiv ist. Das überträgt sich auch auf selbstlernende Systeme. Dadurch wird manches komplizierter als es sein müsste.

Wenn Menschen versuchen, Probleme zu lösen und Dinge zu verbessern, neigen sie dazu, etwas hinzuzufügen, statt etwas wegzunehmen. Ein klassisches Beispiel dafür ist das Kinderfahrrad, dem Stützräder hinzugefügt wurden, damit die Kleinsten beim Fahren nicht so leicht umfallen. Dabei hat die Erfindung des Laufrads, das ohne Pedale auskommt, gezeigt, dass "wegnehmen" eine viel bessere Lösung sein kann. Das Problem am Hinzufügen ist, dass Dinge oder Prozesse dadurch komplizierter oder geradezu überkompliziert werden. Dennoch hält sich das Vorurteil hartnäckig, dass Verbesserungen vor allem durch das Hinzufügen von etwas entstehen. Über den Weg der Sprache erhält es Einzug in die Entscheidungen künstlicher Intelligenz. Das haben Forschende der Universitäten Birmingham, Glasgow, Potsdam und Northumbria herausgearbeitet.

Für Wandel wird hinzugefügt

Am Beispiel der englischen Sprache zeigen sie, dass das englische Wort improve (engl. für verbessern) öfter in Zusammenhang mit Wörtern wie "add" (hinzufügen) oder "increase" (zunehmen) genannt wird als mit Wörtern wie "substract" (abziehen, subtrahieren) oder "decrease" (abnehmen).
Die Untersuchung zeigt auch, dass es sich bei anderen Verben des Wandels wie "change" (ändern), "to modify" (modifizieren), "to revise" (überarbeiten) oder "to enhance" (verbessern) ähnlich verhält. Das könne dazu führen, dass Menschen - etwa in einem Meeting - sich indirekt aufgefordert fühlen, etwas hinzuzufügen, wenn sie aufgefordert werden, Ideen für eine Verbesserung zu entwickeln. Auf diese Weise könnten Dinge verschlimmert und verkompliziert werden, etwa durch eine übermäßige Bürokratie.

Das sprachliche Vorurteil ist in beiden Richtungen sichtbar: Nicht nur werden Wörter, die eine Verbesserung oder einen Wandel ausdrücken sollen, häufiger und positiver mit Verben verknüpft, die ein Hinzufügen ausdrücken, auch tauchen umgekehrt Hinzufüge-Wörter öfter im Zusammenhang mit Verbesserungen auf als Wörter, die ein Wegnehmen beschreiben.

"To add" ist ein positives Wort - sagt GPT-3

Dieses Vorurteil ist so stark in der Sprache verankert, dass selbstlernende Systeme es in ihre Entscheidungsfindung miteinbeziehen. Als die Forschenden den Vorgänger von ChatGPT GPT-3 nach dem Wort "to add" befragten, antwortete GPT-3, dass "add" ein positives Wort sei und dass der Vorgang, etwas hinzufügen, Dinge in der Regel besser mache. Als Beispiel wurde der Kaffee angeführt, dem man Zucker hinzufüge und der darum besser schmecke, oder dass das Hinzufügen von Freunden das Leben glücklicher mache.

Die Forschenden möchten mit ihrer Studie für dieses sprachliche Vorurteil sensibilisieren, denn es kann unsere Entscheidungen dahingehend beeinflussen, dass wir immer noch etwas hinzufügen (mehr Schichten, mehr Ebenen, mehr Dinge), auch wenn es tatsächlich an vielen Stellen besser wäre, etwas wegzunehmen, es weniger kompliziert und einfacher zu machen.

Sie empfehlen darum, in künftigen Entscheidungsprozessen, wie man etwas besser machen kann, etwas länger nachzudenken.

Wenn ihr also irgendwas optimieren wollt - sei es euren Lernprozess, die Vorbereitung für den Abiball, euren Blog oder die Ordnung in eurem Kleiderschrank - dann denkt auch darüber nach, ob ihr nicht vielmehr dadurch eine Verbesserung erreichen könnt, wenn ihr etwas wegnehmt, streicht oder reduziert.

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 12. April 2023