Ehrlichkeit währt am längsten

Wie Ehrlichkeit und Zeit zusammenhängen

Menschen lügen. Menschen lügen in den unterschiedlichsten Situationen, gegenüber den unterschiedlichsten Personen, aus den unterschiedlichsten Gründen. Man möchte besser dastehen, sich unliebsame Konfrontationen vom Leib halten, den größten Nutzen für sich aus etwas ziehen. Der Mensch ist sich eben doch immer selbst am nächsten. Aber auch wenn die Lüge einem einen Vorteil verschafft, so steht der Mensch dennoch immer im Zwiespalt: Als ein ehrliches Individuum ist er wohl darauf bedacht, „gut“ zu handeln. Wann schafft es eine Lüge also ans Tageslicht?

Unliebsame Folgen sind abschreckend für den potentiellen Lügner. Die Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden sollte also möglichst gering sein. Auch wenn man die Lüge rechtfertigen („ist doch nicht so schlimm, weil…“) und somit zumindest teilweise sein positives Selbstbild wahren kann, wird häufiger geschwindelt. Daneben ist auch der Faktor Zeit von Bedeutung, wie Shaul Shalvi von der Universität Amsterdam nun in einer Studie darlegt.

Im ersten Experiment erhielten die 76 Probanden einen Würfel samt Würfelbecher und wurden angewiesen, dreimal zu würfeln. Die Augenzahl des ersten Würfelvorgangs beeinflusste die Höhe der Geldsumme, die sie später erhalten würden. Je höher die Zahl, desto mehr Bezahlung. Gaben die Probanden also an, eine Drei gewürfelt zu haben, bekamen sie mehr Geld, als wenn sie eine Eins als Würfelergebnis angeben würden. Die gewürfelte Zahl bekamen aber nur die Probanden zu sehen. Dabei wurde der ersten Gruppe ein zeitlicher Rahmen von zwanzig Sekunden gesetzt, während dem sie die gewürfelte Zahl angeben sollten, die andere Gruppe konnte sich Zeit lassen. Diejenigen, die ein Zeitlimit gesetzt bekamen, logen dabei häufiger beziehungsweise extremer als diejenigen, die unbegrenzt Zeit zur Verfügung hatten: Sie gaben im Schnitt an, 4,6 gewürfelt zu haben. Die Probanden ohne Zeitlimit kamen auf durchschnittlich 3,9. Gelogen haben also alle! Das liegt daran, dass die Probanden durch den zweiten und dritten Würfelvorgang ihre Lüge rechtfertigen konnten, wenn die dann gewürfelte Zahl höher war. Es fiel ihnen also leichter, die Unwahrheit zu sagen.

Im Anschluss wurden die 74 Probanden im zweiten Experiment dazu angehalten, nur einmal zu würfeln. Das nahm den Probanden im Voraus die Möglichkeit der Rechtfertigung. Das Bezahlprinzip blieb das gleiche wie im ersten Experiment. In der ersten Gruppe wurde das Zeitlimit auf acht Sekunden begrenzt. Und wieder wurde gelogen: Im Schnitt wurde die Augenzahl 4,4 angegeben. In der Gruppe, die mehr Zeit hatten (und sie auch nutzten), wurde dagegen nicht geflunkert; 3,4 entspricht praktisch dem Erwartungswert von 3,5.

Das Ergebnis also: Menschen lügen. Gibt man ihnen jedoch mehr Zeit und keine Möglichkeit zur Rechtfertigung, kommen sie ins Grübeln, fahren womöglich doch lieber die ehrliche Schiene – ein Ergebnis, mit dem man leben kann.

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Autorin / Autor: Annika Willinger; - Stand: 3. April 2012