Du bist wie ich, dir helfe ich!

Forschung: Wir haben mehr Mitgefühl mit denen, die uns ähneln

Stell dir vor, dir stehen zehn fremde Menschen gegenüber, alle mit dem gleichen Problem. Leider kannst du nur einer Person helfen. Für welche entscheidest du dich? Vermutlich für die, die dir selbst ähnlich zu sein scheint und mit der du dich am besten identifizieren kannst. Je mehr wir uns in die Gedankenwelt eines Menschen hineinversetzt haben, umso mehr sind wir bereit, uns später für diesen einzusetzen. Dieses Hineinversetzen löst bei uns eine "Humanisierung" aus: die Person wird stärker als ein Mensch wahrgenommen. Ein Team der Universität Wien hat Effekte dieser "Humanisierung" untersucht. Die Studie dazu erscheint aktuell in der Fachzeitschrift PLoS ONE.

Unter "Humanisierung" versteht man das Wahrnehmen von Anderen als Individuen mit mentalen Zuständen, wie Gedanken, Gefühlen und Vorstellungen. Das Team, geleitet von Claus Lamm, untersuchte, wie sehr Humanisierung den Entscheidungesprozess bei fiktiven Notfallssituationen beeinflusst.

Mithilfe der sogenannten funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) analysierten die ForscherInnen die Gewebsdurchblutung im Gehirn der Studienteilnehmenden, während diese unterschiedliche Aufgaben bewältigten. Zunächst gaben die ForscherInnen ihnen Texte über imaginäre Personen vor. Bei manchen Texten war es notwendig, sich in die Person hinein zu versetzen, um sie zu verstehen und Fragen über sie zu beantworten. Das löste bei den Teilnehmenden Humanisierung aus. Die anderen TeilnehmerInnen mussten sich nicht in die Personen hineinversetzen. Die Texte und Fragen zu den Personen bezogen sich ausschließlich auf sachliche Informationen. "In jedem Fall hatten die Studienteilnehmer abschließend in einer fiktiven Situation zu entscheiden, ob sie die jeweils beschriebene Person opfern würden, um das Leben mehrerer Anderen retten zu können", erklärt Jasminka Majdandžić die Vorgangsweise für die Studie.

Dabei stellte sich heraus, dass humanisierte Personen bei solchen Dilemmata weniger oft geopfert wurden als nicht-humanisierte Personen. Die humanisierten Personen wurden zudem als menschlicher bewertet. Darüber hinaus verursachten die Entscheidungen bei humanisierten Personen den Probanden mehr Stress – sie taten sich anscheinend schwer, "die irrationelle Alternative" zugunsten des Wohls der Mehrheit zu unterdrücken. Aufgrund der fMRT wurde ersichtlich, dass während einer solchen Entscheidung ein Netzwerk von Gehirnarealen, das konflikthafte Situationen, negativen Emotionen und Selbstkontrolle verarbeitet, erhöhte Aktivität zeigte.

Insgesamt deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass das Ausmaß, in dem wir Andere als einen Mensch mit Gedanken und Gefühlen wahrnehmen, entscheidend für unser prosoziales Verhalten ihnen gegenüber ist. Die Studie lässt daher vermuten, dass auch in wirklichen Notfallsituationen, wie zum Beispiel im Falle eines Rettungseinsatzes, eine gewisse Voreingenommenheit sich nur schwer unterdrücken lässt: wir bevorzugen Personen, die uns ähnlich vorkommen – denn sie sind so wie wir selbst.

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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 19. Oktober 2012