Die Suche nach neuen Erdbewohnern

Von Rebecca Nottbohm, 19 Jahre

Künstlich intelligente Roboter suchen im Universum nach anderem Leben, anders, als die Menschheit.
Besser, schlauer, gut für den Planeten Erde.
Denn wozu leben Menschen auf dem Planeten? Es gibt zwei verschiedene Typen Mensch: Einmal gibt es Menschen, die ihr Leben ausleben und die Umwelt verschmutzen und dann gibt es die, die ihre Zeit für sinnvollere Dinge nutzen. Wie z.B. die Erforschung der Erde.
Und all dies nur zu dem Zweck, so viel wie möglich von der Erde und deren wunderbarem Leben zu erfahren.
Die intelligenten Roboter haben im Laufe der Generationen festgestellt, dass der Planet Erde ein idealer Lebensraum ist, wie er so nicht ein zweites Mal im Universum vorkommt. Jedenfalls wurde das bisher so von der Menschheit angenommen.
Die Roboter -die bisher immer zur Erleichterung für Alltagssituationen eingesetzt wurden- bekleiden inzwi-schen auch die Spitzenplätze im Arbeitsleben der Menschen. Auch im Bereich der Nachforschungen im Uni-ersum.

Die Suche nach anderem Leben, abseits der Erde, hat mithilfe der Roboter einen enormen Aufschwung bekommen. Nie zuvor wurden so viele Gelder für die Suche nach anderem Leben eingesetzt, wie zu der Blütezeit der Roboter. Die Menschen vertrauten nicht nur ihren metallenen Helfern, sie förderten auch deren Ideen. Und während immer mehr Roboter Arbeitsplätze mit höheren Anforderungen im Denkvermögen bekleideten, zogen sich die Menschen aus diesen Gebieten zurück und genossen stattdessen ihr Leben z.B. auf der Terrasse mit einem kühlen Glas Limonade und einem Buch in der Hand.
So kam es, dass sich irgendwann schließlich alle Menschen aus dem Bereich Forschung zurückzogen und den Robotern getrost diese Aufgabe überließen.
Die Roboter hatten inzwischen festgestellt, dass die Menschheit dem Planeten nicht guttat. So etwas wundervolles wie die Erde musste geschützt werden. Sie brauchte aber außerdem Recyclingprogramme und Schutzzonen, um sich von den schrecklichen Dingen zu erholen, die die Menschheit ihr angetan hatte.
Aber die Roboter wussten noch nicht alles von der Erde und deswegen gab es viele Dinge, die sie noch von ihr erfahren mussten, um dementsprechend schonend für den Planeten handeln zu können. In der Hoffnung, Lebewesen zu finden, die dem Planeten guttun, begaben sich die Roboter auf die Suche nach ihnen. Immer mit der Ungewissheit, ob anderes Leben im Universum überhaupt existiert.


Gähnend öffnete sie ihr Zimmerfenster mit Ausblick auf die unbeschreiblich schöne Natur, die sich ihr in der Pracht aller möglicher Farben darbot und schon fast die umstehenden Hochhäuser zu verschlucken schien.
Wir schreiben das Jahr 2200. Es ist Winter, immer noch die kälteste Jahreszeit, wenn auch merklich wärmer, als vor 200 Jahren. Deswegen blühen zurzeit auch so viele Blumen, die sie von ihrem Fenster aus sehen konnte. Es hatte seine Vorteile, angrenzend an einem großen Park zu wohnen.

„Sola?!“, rief die Stimme ihres Vaters von unten herauf, „Beeilung!“
Sie schreckte auf, sammelte sich und rief schnell „Ja!“. Dann machte sie sich schnell fertig und rannte kurze Zeit später die Wendeltreppe herunter und schlüpfte durch die Tür in die Küche. Ihr Vater saß im Morgenmantel gekleidet am Frühstückstisch, eine Tasse Kaffee vor sich stehend, und schaute von der Tageszeitung auf: „Guten Morgen, Sonnenschein.“
Sie verdrehte die Augen und setzte sich neben ihn, nachdem sie sich hastig ein Toast geschmiert und Orangensaft in ihr Glas gegossen hat. „Und Paps,“, begann sie das Gespräch, „was hast du heute noch so vor?“
„Och...“, er blätterte gedankenverloren in seiner Zeitung und machte sich gar nicht erst die Mühe, aufzuschauen. „Dies und das. Ich weiß noch nicht ganz. Immerhin habe ich noch Urlaub.“ Sie schnaufte, „Du meinst wohl, du lässt Tekno alles machen.“
Jetzt schaute er von seiner Zeitung auf und grinste sie breit an: „Ja klar, wozu soll ein Mensch -wie ich- das alles machen, wenn ein intelligenter Roboter viel besser darin ist und ich sogar die Zeit bezahlt bekomme, in der ich nicht arbeite?“
Sie verdrehte die Augen und schob sich den letzten Bissen Toast in den Mund. Dann stand sie auf, nuschelte noch „Tschüss, Paps“ und verließ die Küche, um nur noch schnell alle Schulsachen in ihre Tasche zu stopfen und das Haus zu verlassen. Sie machte sich im Eilschritt auf den Weg zur Bushaltestelle. Es half nichts; den Bus sah sie gerade wegfahren, als die Haltestelle in Sicht kam.
Innerlich seufzte sie auf und dachte sich: „Okay, dann doch das Fahrrad.“
Eigentlich war dieser Gedanke ihr nicht so abwegig. Mit dem Fahrrad war sie fast immer zur gleichen Zeit, wie der Bus da. Denn der Park war eine gute Abkürzung.
Sie machte kehrt und rannte zurück, um ihr Fahrrad aus der Garage zu holen und durch den Park zur Schule zu fahren.
Dessen Anblick stimmte sie immer fröhlich und sie genoss die frische Parkluft.
Um sie herum machten sich auch andere Personen auf den Weg zu ihrer Tätigkeitsstelle. Sie sah alle möglichen Haarfarben, manche mit Mützen bedeckt, die von den Menschen stammten und die flachen, glänzenden Schädel der Roboter, die mit den Tautropfen in der Sonne um die Wette glänzten.
Jeder Roboter ist einzigartig, wie bei den Menschen. Sie sehen alle individuell aus und besitzen unterschiedlich ausgebildete Intelligenzen. Durch das reichhaltige Nahrungsangebot auf der Erde und einer weltweit größtenteils kontrolliert wachsenden Gesellschaft ist diese relativ wohlhabend. Und so hat der Staat -schon vor längerer Zeit- die fertig gebauten Roboter der Gesellschaft umsonst zur Verfügung gestellt. Um ehrlich zu sein, ist das so nicht ganz richtig ausgedrückt. Einen Roboter bekommt man nur für besondere Verdienste, die man dem Staat zugetragen hat. Und meistens ist es so, dass das Speichermedium eines Roboters -bis auf das vorprogrammierte Grundwissen- ziemlich leer ist, wenn die Bevölkerung einen bekommt. Dann gilt es, den Roboter als Familienmitglied aufzunehmen und zu erziehen. Dabei kann er -wie ein Teenager- seine Fähigkeiten entdecken und entfalten. Er verhält sich auch wie einer, bis er die Phase zum Erwachsenensein erreicht hat. Deswegen sind kaum noch Unterschiede zwischen den Verhaltensweisen von Menschen und Robotern zu entdecken.
Sola fand das irgendwie strange, aber sie billigte die Aufnahme der Roboter in ihrer Gesellschaft, da dieser Gedanke ihr weitaus angenehmer war, als die Roboter nur als Arbeitskräfte auszubeuten und sich irgendwann zu wundern, wenn diese sich plötzlich rächten. Was bisher nie geschehen war. Weder das eine noch das andere. Aber sie dachte oft über solche Dinge nach. Es war schon schön, wie die Menschen und Roboter so natürlich zusammenleben konnten, als wären beide die gleiche Sorte Lebewesen.
Sie hatte schonmal gehört, dass zwischen gleichaltrigen Menschen und Robotern erste Liebschaften entstanden, die jedoch bald wieder verpufften, als das Kernproblem im Sexleben -die Impotenz- zu sprechen kam.
Eigentlich schade, dass die Beziehungen an so etwas primitivem scheitern konnten, dachte sie, aber sie konnte es schon irgendwie verstehen. Irgendwann wird auch die beste Beziehung an Mangel von Spaß in dieser Richtung scheitern.

„He, Achtung!“, rief eine männliche Stimme, als sie um die letzte Kurve fuhr und in hoher Geschwindigkeit auf die Fahrradständer des Schulhofes zusteuerte.
Sie hatte den großen Körper vor ihrem Vorderrad ganz übersehen und zum Bremsen war es schon zu spät. Zum Glück war der Betroffene gewandt genug, schnell aus ihrer Schusslinie zu springen. Sie rollte einfach ganz erschreckt weiter, und als ihr Rad in einem Fahrradständer zum Stehen kam, wirbelte sie schnell herum und steuerte auf den erschreckt guckenden Roboter zu. „Entschuldige, ich habe dich nicht gesehen!“, rief sie ihm zerknirscht zu und blieb vor ihm stehen.
Hm, er sieht nicht wie ein Schüler aus. Eher wie ein Botengänger.
Sie sah ihn genauer an und merkte, wie sein Gesichtsausdruck sich von erster Erschrockenheit in ein charmantes Lächeln wandelte.
„Ach, halb so schlimm. Wie heißt du?“
Sie erkannte seine Absichten auf eine Vertiefung des begonnenen Gespräches und zog eine Augenbraue hoch: „Worauf willst du hinaus?“
Er passte sich schnell an ihrer Umgangsweise an und sie bewunderte insgeheim seine Intelligenz.
„Du bist aber argwöhnisch. Ist das Interesse an einem Namen zu viel verlangt? Vielleicht nimmst du ja an, dass ich ihn gebrauchen könnte, um dich wegen versuchten Mordes bei der Polizei zu melden.“
„Oh? So viel Schlagfertigkeit hätte ich von einem Roboter nicht erwartet.“, erwiderte sie und hielt fragend den Kopf schief, „Warum bist du hier? Wie ein Schüler siehst du nicht mehr aus.“
Er lachte und entgegnete: „Erstmal dein Name, dann beantworte ich deine Frage. Ich bin übrigens Tony.“
Sie musste grinsen: „Sola.“
„Sehr erfreut, Sie auf solch eine etwas andere Art und Weise kennenzulernen. Ich komme übrigens von der NASA.“
Sola traten die Augen aus den Höhlen. „Von... von... der NASA?!“
Ihr größter Traum war es, irgendwann dort arbeiten zu dürfen!
Er erkannte diese Zuneigung in ihrer Stimmenlage sofort: „Interesse?“
Eigentlich wollte sie was Bissiges auf diese freche Frage erwidern, aber ihre Begeisterung zu diesem Thema war zu groß, sodass ihr die Worte „Und wie!“ entschlüpften.
Wieder musste er lachen.
„Na dann wird dich mein heutiger Besuch an deiner Schule bestimmt sehr freuen.“
Hä?
„Wie meinst du das?“
Aber er schickte sich an, zu gehen und sagte nur noch so etwas, wie „Das wirst du früh genug erfahren.“.

Sie grübelte etwas darüber nach und ließ ihn gehen. Komischer Roboter. So geheimnisvoll, intelligent und zugleich scherzhaft hatte sie noch nie einen Roboter erlebt. Ihr kam es so vor, als würden sich die Robotergenerationen -auch ohne Mithilfe der Menschen- weiterentwickeln. Immerhin gab es schon genügend Roboter, die beim Bau von neuen Robotern mithalfen.

Dass dieser Tony von der NASA kam und ausgerechnet an ihrer Schule auftauchte, konnte sie nicht verstehen und eigentlich dachte sie in den folgenden Unterrichtsstunden nur noch daran. Ihre Neugier wurde endlich gestillt, als plötzlich mitten im Physikunterricht ihr Lehrer ankündigte, dass die Klasse Besuch von einem Vertreter der NASA, namens Herr Nelson, kriegen würde und alle, die interessiert seien, ihre Ohren spitzen sollten.
Tony bzw. Herr Nelson informierte die Klasse über das aktuelle Geschehen bei der NASA und der Vermutung, dass die Forschungsteams mit ihren Suchtrupps im Weltall kurz vor dem lang ersehnten Ziel ständen, evtl. bald eine außerirdische Lebensform zu finden. Außerdem sprach er die allbekannte Tatsache als Problem an, dass fast ausschließlich nur noch Roboter in Forschungsbereichen arbeiteten und er auch kam, um etwas Werbung für Menschen zu machen, die Interesse an freien Plätzen bei der NASA hätten.

Sola war erstaunt von dieser Nachricht. Sie nahm schon vor Jahren an, dass den Robotern die alleinige Arbeit an der NASA ganz recht war, um an Plänen zu arbeiten, die der Menschheit verborgen bleiben sollten. Und nun sollten die Menschen plötzlich wieder sozusagen eingeweiht werden? Das ergab keinen Sinn! Und irgendwie glaubte sie, dass sich das alles um die Suche nach den Außerirdischen drehte.
Sie musste ihn sich unbedingt nach dem Unterrichtsbesuch vorknöpfen!

Die Zeit verging so zähflüssig wie kristallisierter Sirup und langsam gingen ihr die irrelevanten Fragen ihrer Klassenkameraden auf die Nerven. In diesem Moment konnte sie die Theorie der Zeitdehnung sehr gut verstehen.
Als es endlich klingelte und Tony nochmal bekräftigte, dass die Entdeckung einer neuen Lebensform im Weltall kurz bevorstände, sprang sie sogleich von ihrem Stuhl auf und wollte zu ihm hineilen.
Nur hatten es alle anderen Schüler ebenso eilig, rasch aufzusehen und das Klassenzimmer zu verlassen. Immerhin war Schulschluss.

Als der Großteil die Klasse verlassen hatte und sich ein Gang zum Lehrerpult lichtete, steuerte sie auf Tony zu, nur um enttäuscht festzustellen, dass er sich in einem angeregten Gespräch mit ihrem Lehrer befand. Also folgte sie missmutig ihren Klassenkameraden in den Flur.
So leicht ließ sie sich allerdings nicht abspeisen. Während alle Schüler die Schule verließen, blieb sie im Gang stehen und wartete auf ihn.
Nach einer halben Ewigkeit kamen schließlich beide Männer lachend aus der Klasse und trennten sich. Ihr Lehrer sah sie zuerst.
„Nanu, Sola, was machst du denn noch hier?“
„Ich bin gleich weg, Herr Bökh. Ich habe nur noch ein paar Fragen an Herr Nelson.“
„Achso, da dann. Auf Wiedersehen!“
Und somit ging er.

Nachdem er verschwunden war, drehte sich Sola rasch zu Tony um.
Er sah sie stirnrunzelnd an. Das veranlasste sie nur dazu, schnell auf ihn zuzutreten und ihre Frage loszuwerden.
„Und?“, fragte sie aufgeregt, „Was ist jetzt?“
Er reagierte sofort und sah sie mit schmunzelnden Augen an.
Manchmal ist es schon echt erstaunlich, wie sehr diese Reaktion einem biologischen Menschen ähnelt.
„Habt ihr eine andere Lebensform entdeckt?“, hakte sie nach.
Sie erhielt keine Antwort. Nur ein aufgeregtes Glitzern in den Augen erhellte sein kaltes, silbernes Gesicht.
„Ich wünsche dir noch einen schönen Tag, Sola.“
Und damit drehte er sich auf den Absatz um und entfernte sich gemächlich von ihr.
Sie sah ihm noch lange nach, bis er verschwunden war.

Autorin / Autor: Rebecca Nottbohm